Traditionell sind Bauernregeln über mehrere Generationen weitergegebene Regeln, an denen sich Landwirte vor allem in vorindustrieller Zeit orientiert haben. Bis heute gehören Sprüche wie "Der April macht, was er will" oder "Ist Siebenschläfer nass, regnet's ohne Unterlass" für viele Bauern zum Kulturgut. Das nahm Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zum Anlass für eine PR-Kampagne: Ihr Ministerium erstellte elf "neue Bauernregeln", die auf Plakate gedruckt in 70 deutschen Städten präsentiert werden sollen.  

Mit ihnen soll auf Fehlentwicklungen in der modernen Land- und Agrarwirtschaft aufmerksam gemacht werden. So heißt ein Spruch etwa: "Zu viel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt." Und: "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein." Man wisse, dass die intensive Landwirtschaft die Belastungsgrenzen von Böden und Natur viel zu oft überschreite, sagte Hendricks zur Begründung der Kampagne. Landwirtschaft habe nur dann eine Zukunft, wenn sie naturverträglich sei und Artenvielfalt, Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen mitberücksichtige.

Die humorvoll gemeinte Kritik wurde allerdings nicht von jedem als solche aufgenommen. Hendricks Amtskollege, Agrarminister Christian Schmidt (CSU), forderte Hendricks in einem Brief auf, die Kampagne sofort zu beenden. Die Umweltministerin solle sich außerdem für den "entstandenen Schaden bei den Bäuerinnen und Bauern" öffentlich entschuldigen. Ein ganzer Berufsstand werde undifferenziert an den Pranger gestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben. "Eine vermeintliche 'Meinungselite' aus den Metropolen amüsiert sich hier auf Kosten der Menschen im ländlichen Raum."

Ähnlich deutlich hatte sich zuvor der Deutsche Bauernverband geäußert. Die Bauernregeln seien eine "inhaltliche Bankrotterklärung". Auf Twitter verkündete die Dachorganisation der 18 Landesbauernverbände eigene Bauernregeln, zum Beispiel: "Ist zu schwach das Argument, macht der Reim das Regiment." Der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken, sieht einen "Tiefpunkt in der agrarpolitischen Diskussion", wenn ein Ministerium glaube, mit Schüttelreimen Politik und öffentliche Debatten vorantreiben zu können.

Von einer "Negativkampagne" sprach Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bundestag, auf Facebook. Die Bauernregeln seien ein "Schlag ins Gesicht aller Bauernfamilien".

Im Internet haben bislang mehr als 1.800 Menschen eine Petition einer Frau unterzeichnet, die angibt, Landwirtin zu sein, und dem Bundesumweltministerium Respektlosigkeit vorwirft. Im Wahljahr 2017 sei alles erlaubt. Hendricks betreibe "Bauernbashing" und "staatliches Mobbing".

Das Umweltministerium verteidigte sich gegen die Kritik. Man wolle keinen Berufsstand diffamieren, sagte ein Sprecher. Ziel sei lediglich, auf spielerische und humorvolle Art auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.