Darum geben wir gefundenes Geld zurück

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PsychologieDarum geben wir gefundenes Geld zurück

Viele Menschen geben gefundene Portemonnaies samt Inhalt lieber dem Besitzer zurück oder im Fundbüro ab, statt das Geld selber einzustecken. Ein Sozialpsychologe erklärt, warum.

Simon Ulrich
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Simon Ulrich

Passanten berichten, was sie mit gefundenen Portemonnaies machen und welchen Finderlohn sie als angemessen betrachten.

Vor einigen Tagen berichtete 20 Minuten über einen Mann, dem sein Portemonnaie zurückgegeben wurde, nachdem er es vor zehn Jahren auf einer Baustelle verloren hatte. Sowohl die 500 Franken Bargeld als auch sein Glücksbringer – eine alte 20er-Note aus der vorletzten Serie – war noch enthalten. Die 20-Minuten-Community zeigte sich tief gerührt ob der Geschichte. «Es tut gut, wieder mal so etwas Schönes zu lesen», meinte etwa Leserin Michelle in der Kommentarspalte. «Schön, dass es noch so viele ehrliche Menschen gibt.»

Das Bild einer aufrichtigen Gemeinschaft wird offenbar auch in der dazugehörigen, nicht repräsentativen Umfrage zementiert. Nur gerade 5 Prozent der rund 9200 Teilnehmer gaben an, dass sie das gefundene Geld selber einsacken würden. Der Rest beteuerte, die aufgelesene Brieftasche dem Besitzer zurückzugeben respektive auf ein Fundbüro zu bringen.

Wohlgemerkt handelt es sich um eine Selbsteinschätzung, die Ergebnisse sind mit entsprechender Vorsicht zu geniessen. Dennoch drängt sich die Frage auf: Was treibt so viele Menschen an, mehrere Hundert Franken Bargeld uneigennützig dem Besitzer zurückzugeben, statt sie selber einzustecken?

Babyfotos machen ehrlicher

«Wir Menschen sind eben nicht nur egostische, sondern auch hochsoziale Wesen», sagt Sozialpsychologe Jörg Hupfeld-Heinemann. Sich kooperativ zu verhalten und anderen zu helfen, sei wichtig für unseren Ruf und vermittle uns ein gutes Gefühl. «Es stärkt das Selbstbild und aktiviert die Belohnungszentren im Gehirn.»

Ob eine Brieftasche zurückgegeben wird, hängt aber auch von ihrem Inhalt ab. Enthält sie ein privates Foto, findet sie eher den Weg zurück zum Besitzer, wie Hupfeld-Heinemann sagt. «Können wir uns ein Bild von der Person machen, fällt es umso schwerer, deren Geld selber einzusacken.»

Dieser Befund zeigte sich auch in einer schottischen Studie von 2008, bei der Forscher Brieftaschen unterschiedlich bestückten und in ganz Edinburgh verteilten. Mit Abstand am häufigsten samt Inhalt zurückgegeben wurden Portemonnaies mit Kinderfotos (88 Prozent Rückgabequote), mit weitem Abstand gefolgt von solchen mit Welpenfotos (53 Prozent) und Fotos einer glücklichen Familie (48 Prozent).

Weihnachtsstress hemmt das Mitgefühl

Die Vermutung liegt nahe, dass zudem gerade rund um Weihnachten, dem Fest der Liebe, besonders gern geholfen wird und folglich auch die Wahrscheinlichkeit steigt, sein verlorenes Portemonnaie zurückzuerhalten. «Die weihnächtlichen Dekorationen und Lieder über Liebe und Menschlichkeit erhöhen zwar die Hilfsbereitschaft der Leute», räumt Hupfeld-Heinemann ein.

Zugleich werde die Adventszeit aber zu einer immer stressigeren Periode, in der weniger darüber nachgedacht werde, wem man etwas Gutes tun wolle, als vielmehr, was man noch alles vorbereiten und kaufen müsse. «Solcher Stress wiederum ist Gefühlen der Verbundenheit, des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft nachweislich abträglich», warnt der Psychologe.

«Viele ehrliche Finder»

Das beschriebene Spannungsverhältnis dürfte mit ein Grund sein, weshalb in der Adventszeit letztlich nicht spürbar mehr Geldbörsen abgegeben werden als in anderen Monaten, wie die Fundbüros der Städte Zürich und Bern auf Anfrage verlauten lassen.

Entgegen der Aussage der schottischen Studie sei zudem unwichtig, was im Portemonnaie enthalten sei, sagt Daniela Tobler, Sprecherin der Verkehrsbetriebe Zürich. «Ein Portemonnaie wird oftmals abgegeben, weil es in Zürich viele ehrliche Finder gibt. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle.»

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