«Ich bin nur ein Papierli-Ausländer»

Aktualisiert

Einbürgerung«Ich bin nur ein Papierli-Ausländer»

Die erleichterte Einbürgerung für Ausländer der dritten Generation polarisiert. Betroffene sagen, warum sie Schweizer werden wollen – oder eben nicht.

J. Büchi
von
J. Büchi

Ausländer, deren Grossmutter oder Grossvater schon in der Schweiz gelebt hat, sollen sich künftig einfacher einbürgern lassen können. Dies sieht ein Bundesbeschluss vor, der im Februar an die Urne kommt. Von der neuen Regelung könnten unter 25-Jährige profitieren, die selber in der Schweiz geboren sind und hier mindestens fünf Jahre die obligatorische Schule besucht haben.

Die Schweiz müsse «ihre Kinder anerkennen», finden SP, FDP, CVP, BDP, GLP, die Grünen und die EVP. Die SVP hingegen argumentiert, Ausländer der zweiten oder dritten Generation seien nicht zwingend besser integriert als solche der ersten.

Wie ist es, wenn die Familie seit Generationen in der Schweiz lebt, man selber aber keinen roten Pass hat? 20 Minuten hat mit Betroffenen gesprochen.

Daniela F.* (32): «Meine Tochter soll wissen, wo sie hingehört»

Daniela F. ist in der Schweiz aufgewachsen, genauso wie ihre Mutter. Die Grosseltern waren Ende der 50er-Jahre in die Schweiz gekommen. «Es ist paradox: Hier in der Schweiz gelte ich als Ausländerin, in Italien ebenso», sagt sie im Gespräch mit 20 Minuten. Dasselbe gelte für ihren Mann, einen Brasilianer.

Diese Erfahrung wolle sie ihrer zweijährigen Tochter ersparen, sagt F. «Sie soll wissen, wo sie hingehört.» Vor zwei Wochen hat sie deshalb bei ihrer Gemeinde den roten Pass beantragt. Für den Einbürgerungstest habe sie viel gelernt, «auch vieles, was ich in der Schule nicht hatte – das war eigentlich ganz interessant».

Mit etwas Glück hat die Familie im Februar, wenn über die erleichterte Einbürgerung für die 3. Generation von Ausländern abgestimmt wird, bereits den Schweizer Pass. «Ich hoffe für andere Kinder, die hier aufwachsen und doch nicht ganz dazugehören dürfen, dass die Änderung angenommen wird.» Warum sich nicht bereits ihre Eltern haben einbürgern lassen, weiss F. nicht. «Vermutlich war das damals einfach noch nicht so ein Thema.»

Ayse E.** (24): «Ich träume auf Schwiizertüütsch»

«Ich möchte Schweizerin werden, weil ich auf Schwiizertüütsch denke und träume, weil ich nichts ausser das hier kenne und ich trotzdem in gewissen Situationen merke, dass ich nicht dazugehöre», sagt Ayse E. Die Grosseltern der 24-jährigen Türkin haben in der Schweiz gearbeitet, ein Grossteil ihrer Familie mütterlicherseits lebt hier.

Dennoch hat sie es bisher nicht geschafft, sich einbürgern zu lassen. «In meiner ehemaligen Wohngemeinde musste eine Bürgerversammlung über die Einbürgerungen befinden», erzählt sie. Als sich die Prozedur bereits über zwei Jahre hinzog, sei sie aus beruflichen Gründen in einen anderen Kanton gezogen. «Jetzt muss ich nochmals drei Jahre warten, bis ich einen Antrag stellen kann.»

Andy Moser (22): «Österreicher haben eine Ist-mir-wurst-Mentalität»

Andy Moser spricht breiten Basler Dialekt. Er ist kein Ausländer der dritten, sondern der zweiten Generation. Von der Abstimmung ist er also nicht betroffen. Auch Moser sagt jedoch: «Ich bin nur ein Papierli-Ausländer.» Der 22-Jährige ist hier aufgewachsen und ging hier zur Schule. Sein Vater, ein Österreicher, kam vor über 60 Jahren in die Schweiz.

Dass er Schweizer werden will, wurde Moser klar, als er in Österreich den Militärdienst absolvierte. «Ich habe gemerkt, dass ich definitiv nicht dorthin gehöre.» Dies beginne schon beim Interesse für politische Entscheide. «Bei der Bundespräsidentenwahl legten viele Österreicher eine Ist-mir-wurst-Mentalität an den Tag, die es in der Schweiz nicht gibt.»

Moser wäre es viel wert, die Politik und die Gesellschaft mitgestalten zu dürfen. Auch er musste jedoch feststellen, dass er sein Recht, einen Antrag zu stellen, durch einen Umzug verwirkt hat. «Weil ich von Basel-Stadt nach Baselland gezogen bin, muss ich fünf Jahre warten, bevor ich mich einbürgern lassen kann.»

Loris F.*: «Ein Pass ist nur ein Reisedokument»

Der Italiener Loris F. sieht keinen Grund, den Schweizer Pass zu beantragen. «Als Terzo bin ich in der Schweiz eh angekommen, ich fühle mich hier zu Hause und meine Eltern, beide Secondos, sind sehr gut integriert.» Er sieht nicht, warum es ihm mit einer Schweizer Staatsbürgerschaft besser gehen sollte. «Zum Reisen ist der EU-Pass fast gäbiger als eine Schweizer ID.»

Ja, wenn die Einbürgerung mit dem Einschicken eines Passfotos erledigt wäre und wenn sie höchstens 200 Franken kosten würde, dann könnte er es sich überlegen. «Bis dahin bin ich zufrieden damit, Italiener zu sein – auch wenn ich das Land meiner Grosseltern nur aus den Ferien kenne.»

*Name der Redaktion bekannt,

** Name von der Redaktion geändert

Deine Meinung