Experte beleuchtet den Zensur-Alltag in der Türkei

Die Zensoren im türkischen Internet sind schwer berechenbar. Ein Experte hat sich nun mit Hilfe des Atlas-Projekts angesehen, wie sie arbeiten.

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Flagge Türkei

(Bild: William John Gauthier, CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der unabhängige Bericht der OSZE zum Wahlverlauf in der Türkei an vergangenen Wochenende war für einige türkische Nutzer nicht direkt erreichbar. Aufgefallen war die Blockade Nutzern in der Türkei. Eine Recherche des AFNIC-DNS-Experten Stéphane Bortzmeyer über das Sensoren-Netzwerk des Atlas-Projektes (Atlas Probes) in der Türkei ergab, dass die türkischen Zensoren wieder einmal DNS-Spoofing betreiben.

Über 20 der abgefragten 32 Probes war noch die korrekte Seite mit dem kritischen Wahlbeobachterbericht auffindbar. In sechs Fällen landete die Anfrage direkt beim ehemaligen Staatsriesen Türk Telekom, dem größten türkischen Provider. In fünf Fällen kamen die Anfragen zu einer Adresse, die in der Adressdatenbank des RIPE für den Breitbandprovider Tellcom eingetragen ist.

Ein Test über eine breiter verteilte Anzahl von Atlas Probes scheiterte in sechs von knapp fünfhundert Fällen. Die Atlas Probes seien normalerweise bei eher technik-affinen Zeitgenossen im Einsatz und daher nicht ganz repräsentativ, sagte Bortzmeyer zu den Stichproben. Anders als noch vor einem Jahr würden zumindest aktuell die öffentlichen DNS-Dienste von Google aber nicht mehr gehijackt.

Dass die OSZE und der kritische Wahlbericht, in dem unter anderem Gewalt gegen oppositionelle Politiker vor der Wahl gerügt wurde, ein direktes Ziel der Attacke war, glaubt er nicht, schreibt Alp Toker, Koordinator des Projekts TurkeyBlocks vom TVHI Press Freedom Center Istanbul. Vielmehr sei DNS Spoofing in der Türkei gängige Praxis. Die OSZE sei in diesem Fall Opfer einer seit Juli gegen die türkische Nachrichtenagentur ETHA verhängte Sperre – eine unter vielen. Laut türkischen Berichten sei die "Sicherungsmaßnahme" auf Basis der Gerichtsentscheidung Nr. 2015/648 gefällt und durch die fürs Zensurwesen zuständige türkische Telekommunikationsbehörde TIB umgesetzt. (anw)