Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(11/12): 655
DOI: 10.1055/s-0042-115509
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Kochsalzbolus nach Rocuronium verlängert Wirkdauer

Sina Pulz
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Publication Date:
24 November 2016 (online)

Die Verabreichung eines 20 ml Kochsalzbolus nach Gabe von Rocuronium – ebenfalls als Bolus – verkürzt dessen Anschlagszeit, verlängert aber auch die klinische Wirkdauer und den Erholungsindex. Dies sind die Ergebnisse einer Untersuchungsreihe zum Einfluss eines Kochsalzbolus auf die pharmakodynamischen Effekte von Rocuronium, die Sayaka Ishigaki und Kollegen aus Saitama, Japan, durchführten.

Von Mai 2010 bis August 2014 nahmen sie 48 Patienten in ihre Studie auf. Die Hypothese war, dass die Verabreichung eines 20 ml-Kochsalzbolus die Anschlagszeit eines 10 ml-Rocuronium-Bolus verkürze, ohne das Erholungsprofil zu beeinflussen. Die Studiengröße wurde berechnet, um einen 30 s-Unterschied der Wirkzeiten zu detektieren bei einer Power von 0,9 und einem Signifikanzniveau von α = 0,05.

Von den 48 Studienpatienten teilten sie je 24 randomisiert der Interventionsgruppe (20 ml Kochsalzbolus direkt nach Rocuronium 0,6 mg/kg in 10 ml) oder der Kontrollgruppe (nur Rocuronium 0,6 mg/kg in 10 ml) zu. Die neuromuskuläre Blockade ermittelten die Ärzte via Akzeleromyografie über dem M. adductor pollicis nach Reizung des N. ulnaris. Die Narkose wurde standardisiert eingeleitet und aufrecht erhalten (Propofol über „target-controlled infusion“-Pumpe und Remifentanil über Spritzenpumpe). Nach Bewusstseinsverlust wurde der Akzelerograf zunächst für eine supramaximale Train-of-four-Stimulation (TOF-Stimulation) kalibriert, danach erfolgte die TOF-Messung alle 15 s. Erst nachdem für mind. 2 min die T1-Höhenvariation < 5 % betrug, wurde das Muskelrelaxans verabreicht. Folgende Messergebnisse dienten den Wissenschaftlern als Vergleichsvariablen:

  • latente Anschlagszeit: Zeit vom Beginn der Rocuronium-Injektion bis zur ersten Höhenabnahme von T1 des TOF um ≥ 5 %

  • Anschlagszeit: Zeit vom Beginn der Rocuronium-Injektion bis zur T1-Abnahme um ≥ 95 %

  • klinische Wirkdauer: Zeit vom Beginn der Rocuronium-Injektion bis T1 sich wieder auf ≥ 25 % erholt hat

  • Erholungsindex: Zeit zwischen der Erholung von T1 von 25 % auf ≥ 75 %

  • Erholungszeit: Zeit vom Beginn der Rocuronium-Injektion bis zu einer TOF-Ratio (T4 : T1) ≥ 90 %

So kamen die Autoren zu folgenden Ergebnissen:

  • Die Interventionsgruppe hatte zu den Zeitpunkten 30 s, 45 s und 60 s nach Verabreichen des Muskelrelaxans signifikant niedrigere Höhen von T1 im TOF als die Kontrollgruppe.

  • Sowohl Anschlagszeit als auch latente Anschlagszeit waren in der Interventionsgruppe um 15 s kürzer als in der Kontrollgruppe (p = 0,007 bzw. p = 0,017)

  • Die Erholungszeiten waren in der Interventionsgruppe signifikant verlängert und zwar die klinische Wirkdauer um 4,8 min (p = 0,031), der Erholungsindex um 2,3 min (p = 0,018) und die Erholungszeit um 8,8 min (p = 0,047)

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Ein Kochsalzbolus nach Gabe von Rocuronium verkürzt die Anschlagszeit und verlängert die Wirkdauer des Muskelrelaxans.
Bildnachweis: : Jiri Hera / Fotolia

Fazit Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass die Verabreichung eines 20 ml-Kochsalzbolus nach Gabe von Rocuronium die Anschlagszeit des Muskelrelaxans verkürzt und die Wirkdauer verlängert. Sie erklären diesen Umstand mit der Verkürzung der Kreislaufzeit durch den nachfolgenden Kochsalzbolus, wodurch die Spitzenkonzentration am Erfolgsorgan zunimmt. Zu klären wären die Auswirkungen des Kochsalzbolus, wenn dieser im echten Einleitungssetting während der Narkoseinduktion gegeben wird. Eine weitere Schwäche der Studie ist die Tatsache, dass sich zeitliche Auswirkungen auf die untersuchten Zeiten nur im 15 s-Intervall ablesen ließen. Die Stärke der Studie war für einen 30 s-Unterschied berechnet worden.

 
  • 1 Ishigaki S, Masui K, Kazama T. Saline flush after rocuronium bolus reduces onset time and prolongs duration of effect: a randomized clinical trial. Anesth Analg 2016; 122: 706-711