Pokémon Go und die CIA

Bild: Health Gauge/CC-BY-SA-2.0

Bei manchen entsteht der Verdacht, US-Geheimdienste könnten ihre Finger im Spiel haben, ganz abseitig wäre dies nicht

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Pokémon Go schlug als Spiel für Smartphones oder Tablets wohl deshalb so ein, weil Hersteller Niantic erstmals massenhaft ein einfach zu bedienendes Szenarium der Erweiterten Realität anbot. Niantec ist ein Google-Ableger, der damit sein AR-Spiel Ingress erweiterte, das bereits auf Google Maps beruhte. Letztes Jahr machte sich Niantic selbständig, Google ist jedoch weiter beteiligt, ebenso Nintendo und die zu Nintendo gehörende Pokémon Company.

In nicht einmal drei Wochen wurden bereits weltweit 75 Millionen der Apps heruntergeladen. Das sichert eine große Verbreitung und dem Hersteller massenhaft Geodaten und Bilder von den Orten, die mit den Kameras der Smartphones und Tablets aufgenommen werden. Wer spielen will, muss personenbezogene Daten freigeben, die Kamera ist immer angeschaltet, wenn man nicht auf die AR-Funktion verzichtet, was erst ab Android 6.0 möglich ist, Zugriff hat die App auf das GPS-Signal, den Speicher und die Kontaktliste.

Alle erhobenen Daten gehen in den Besitz der amerikanischen Firma Niantic und damit womöglich auch an Google über, sie können wieder an Dritte weitergegeben werden, nicht nur an andere Unternehmen, sondern auch an Behörden oder Geheimdienste. Ob es sich dabei nur um nicht "personenbezogene" Daten handelt, ist eine Frage des Ver- oder Misstrauens. Die Bestimmungen sind äußerst vage und sehr subjektiv, schließen aber personenbezogene Daten ein:

Wir könnten jegliche Informationen über Sie (oder über das von Ihnen ermächtigte Kind), die sich in unserem Besitz oder Kontrollbereich befinden, an Regierungen oder Strafverfolgungsbehörden oder private Beteiligte offenlegen, wenn wir es nach unserem eigenen Ermessen für notwendig und angemessen erachten: (a) um auf Ansprüche, Gerichtsprozesse (einschließlich Vorladungen) zu reagieren; (b) um unser Eigentum, unsere Rechte und unsere Sicherheit, sowie das Eigentum, die Rechte und die Sicherheit von Dritten oder der allgemeinen Öffentlichkeit zu schützen; und (c ) um jegliche Aktivität, die wir als illegal, unethisch oder rechtlich anfechtbar erachten, aufzudecken und zu stoppen.

John Hanke, Geschäftsführer von Niantic, erklärte, dass man daran denke, neben Werbung gegen Zahlung (cost per visit) Treffpunkte oder Pokéstops etwa in Geschäften oder Gebäuden einzurichten, um Spieler anzulocken. "Do-not-track"-Befehle werden nicht beachtet.

Aber es besteht ein anderer Verdacht, der über das Stellen von Fallen hinausgeht. Die Gründer von Google, Sergey Brin and Lawrence Page, waren schon am Anfang der Entwicklung der Suchmaschine gut vernetzt. Neben anderen Sponsoren wurde ihre Forschung an der Stanford University auch von der National Science Foundation, der Nasa und der Darpa, der Forschungsbehörde des Pentagon finanziert. Das ist absolut nichts Ungewöhnliches, denn das Pentagon fördert selbstverständlich nicht uneigennützig viele Forschungsprojekte, man könnte von einem militärisch-akademischen Komplex sprechen, der sich auch auf die Geheimdienste erstreckt. Bekannt wurde, dass Google - die "gute" Suchmaschine - 2003 seine Technik der NSA zur Verfügung stellte, auch kostenlos.

Und dann kommt John Hanke ins Spiel, der 2001 Keyhole gründete: Eine Firma, die Anwendungen zur Visualisierung von Geodaten entwickelte und deren Namen sich von militärischen Aufklärungssatelliten ableitet. Das erschien den Leuten von Google interessant, die 2004 die Firma aufkauften. Keyhole wurde 2003 während der Invasion in den Irak bekannt, als die Firma US-Medien wie CNN mit dem Earth Viewer 3D-flyby-Bilder von Geschehnissen in Bagdad zur Verfügung stellte. Auch das Pentagon nutzte die Technik. Keyhole pries an, vom Weltraum bis zu einem Hausdach zu zoomen und 3D-Geobilder mit Karten und Informationen zu verbinden.

Im Juni 2003 fand In-Q-Tel, die 1999 gegründete Investitionsfirma der CIA, die Firma so interessant, dass sie kräftig in sie investierte und vor dem anstehenden Bankrott rettete: "Keyhole's strategic relationship with In-Q-Tel means", so John Hanke überschwänglich, "that the Intelligence Community can now benefit from the massive scalability and high performance of the Keyhole enterprise solution." Das Geld soll nicht nur von der CIA, sondern auch von der National Geospatial-Intelligence Agency (NGA) und allen anderen Geheimdiensten gekommen sein. Als Keyhole von Google übernommen wurde, war es bereits eine Firma, die mehr oder weniger den Geheimdiensten gehörte. Die CIA hebt die Bedeutung der Investition in Keyhole besonders hervor, aus dessen Earth Viewer schließlich Google Earth entstand, also auch mit erheblichen Investitionen der Geheimdienste, die ihre Interessen vermutlich auch weiter geltend machen werden:

Finally, in February 2003, the CIA-funded strategic investor In-Q-Tel made an investment in Keyhole, Inc. Keyhole was a pioneer of interactive 3D earth visualization and creator of the Earth Viewer 3D system. CIA worked closely with other Intelligence Community organizations to tailor Keyhole’s systems to meet operational needs. The technology was also useful in the private sector, with multiple TV networks using Earthviewer 3D to fly over Iraqi cities during its news coverage of Operation Iraqi Freedom. The popularity of this technology eventually caught the attention of Google, which acquired Keyhole in 2004. You know this technology today as Google Earth.

CIA

Die Zusammenarbeit von Google und der NGA setzt sich auch 2008 fort, als beide Hunderte von Millionen US-Dollar für den Start des Satelliten GeoEye-1 bezahlten, der damals die am höchsten aufgelösten Bilder lieferte. Der US-Geheimdienst und Google nutzten die Bilder gemeinsam. 2010 vertiefte sich die Zusammenarbeit der NGA mit Google, das dem Geheimdienst für 27 Millionen US-Dollar mit Google Earth Geovisualisierungsdatendienste liefern sollte: "NGA has made a significant investment in Google Earth technology through the GEOINT Visualization Services (GVS) Program on SECRET and TOP SECRET government networks and throughout the world in support of the National System for Geospatial (NSG) Expeditionary Architecture (NEA)." 2010 wurde auch ein Vertrag zwischen der NSA und Google über Dienste abgeschlossen, die cloud-basiert sind. Es gab auch weitere Verträge mit dem Pentagon. Google und Keyhole sind also dem Pentagon und den Geheimdiensten zugetan.

Mit Google Earth und Street View werden weltweit Bilder von Straßen und Gebäuden gemacht. Aber einsehbar werden nur Orte, die von außen und von oben zugänglich sind. Es fehlt der Zugang in den umschlossenen Raum. Hier könnte Pokemon Go eine Möglichkeit bereitstellen, diese Hürde zu überwinden, ohne dass dies als Eindringen erscheinen muss. Mit einem Spiel setzt man eine Heerschar von Trolls in Bewegung, die nur spielen wollen, aber als Spione unterwegs sind, um umbaute Räume ebenfalls zu erfassen und zu kartieren, was sich in ihnen befindet. Das wäre eine neue Art von "Open Source Intelligence" nicht nur für das massenhafte Sammeln von Bewegungsprofilen, sondern etwa auch für Bilder von Innenräumen oder anderen Orten, ohne ein Smartphone direkt abzuhören. Zudem ist die Kamera immer aktiviert, auch wenn der AR-Modus ausgeschaltet ist.

Staatliche russische Medien wie Sputniknews machen auf diese Möglichkeit aufmerksam. Von der Hand zu weisen ist diese Win-Win-Kooperation zwischen Nintendo, Google und den US-Geheimdiensten zu Lasten der Benutzer und der Opfer nicht.

Nicht wegen amerikanischer Geheimdienste, aber wegen Spionage ist die Bundeswehr aufgeschreckt. Unmittelbar könnten die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr berührt werden, hieß es laut SZ in einer Dienstanweisung. Feindliche Agenten könnten sich als Spieler tarnen und Fotos von militärischen Anlagen machen, an denen nicht fotografiert werden darf. Und Bundeswehrsoldaten, die Pokémon Go spielen, sind nicht nur lokalisierbar, es könnten auch Fotos verschickt werden.

Die israelische Armee hat die Pokémon-App auf Militärstützpunkten verboten, weil das Spiel den Zugriff auf GPS-Daten und Kamera erfordert. Das Spiel sei ein Mittel zum Sammeln von Informationen, so die Sicherheitsabteilung der Armee. Auch finnischen Soldaten ist es aus denselben Gründen verboten worden, in militärischen Anlagen Pokémon zu spielen.