«Meine Nachbarin hat mir die Katze weggenommen»

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Fremdfüttern«Meine Nachbarin hat mir die Katze weggenommen»

Nachbarn reissen oft fremde Katzen an sich. Manche Halter müssen mit der Polizei drohen oder umziehen, um ihr Tier wieder für sich zu haben.

B. Zanni
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B. Zanni

Hat Patrizia* Glück, sieht sie ihre Katze einmal pro Woche am Balkon vorbeihuschen. «Jetzt kommt Papaya schon seit einem halben Jahr nicht mehr nach Hause – obwohl es ihr bei mir an nichts fehlt», erzählt die 23-Jährige traurig. Schon etliche Male beobachtete Patrizia, wie die ältere alleinstehende Frau in der Wohnung nebenan Futter- und Wasserschälchen auf den Balkon stellte und die fünfjährige Katze reinliess. «Meine Nachbarin hat mir meine Katze weggenommen», klagt Patrizia.

Sämtliche Versuche, die Nachbarin von Papaya abzuhalten, scheiterten. «Kürzlich klingelte ich bei ihr und bat sie, Papaya rauszugeben. Sie behauptete dann aber, die Katze sei nicht da», so Patrizia. Kurz darauf jedoch habe sie beobachtet, wie die Nachbarin, um nicht aufzufliegen, das Tier schleunigst rausgesetzt habe.

Mittlerweile öffne die Nachbarin nicht einmal mehr die Tür. «Es regt mich auf, abends nach Hause zu kommen und genau zu wissen, dass die Nachbarin meine Katze wieder in ihre Wohnung gelockt hat», sagt die Malerin. Zudem habe sie Angst, dass die Katze krank werde. «Weil sie nicht mehr nach Hause kommt, schaffe ich es auch nicht mehr, sie zur jährlichen Impfung zum Tierarzt zu bringen.»

«Emotional ist das eine kleine Tragödie»

Mit ihrem Problem steht Patrizia nicht allein da. Jährlich suchten rund 20 Besitzer in ihrem Verein Rat, weil ihre Katze fremdgefüttert werde, sagt Manuela Gutermann, Präsidentin des Vereins Katzenfreunde Schweiz. «Emotional sind solche Situationen für die Katzenbesitzer eine kleine Tragödie.» Schliesslich wüssten sie manchmal tagelang nicht, ob ihrem Tier etwas zugestossen sei. «Manchmal erblicken sie die Katzen nur per Zufall hinter dem Fenster irgendeines Wohnzimmers.»

Bei der Stiftung für das Tier im Recht TIR sind dieses Jahr bereits zehn Anfragen in Zusammenhang mit Fremdfüttern eingegangen. «Während die einen Eigentümer dem Nachbarn den Hals umdrehen könnten, sind andere so verletzt, als wäre ihnen ein Familienmitglied entrissen worden», stellt Jeannine Eggler, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei TIR, fest.

Uneinsichtige Fremdfütterer

Laut Eggler setzen die Fremdfütterer manchmal «extreme Methoden» ein, um das Tier weiterhin an sich zu binden. «Sie streiten alles ab und verwischen etwa Spuren im Schnee.» Manuela Gutermann sagt, dass manche einfach uneinsichtig seien. «Dann wirkt nur noch eine Drohung mit der Polizei.»

Manchen Besitzern sei die Katze aber auch so viel wert, dass nur noch ein Umzug das Problem lösen könne. In einigen Fällen geben sich die Halter geschlagen. «Dann drücken sie der Nachbarin das Impfbüchlein der Katze in die Hand und geben ihr damit offiziell die Verantwortung für das Tier ab», so Gutermann.

Anzeige erstatten oder Klage erheben

Fremde Katzen zu füttern, ist nicht verboten. «Füttert jemand eine Katze aber regelmässig oder gar systematisch, sodass sie kaum mehr zu ihrem Eigentümer nach Hause kommt, kann es sich um einen Eingriff in fremdes Eigentum handeln», betont Jeannine Eggler.

Seien die nötigen Beweise vorhanden, könnten Eigentümer in gravierenden Fällen Anzeige wegen Sachentziehung oder unrechtmässiger Aneignung erstatten. Laut Strafgesetzbuch droht in diesen Fällen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Eine weitere Möglichkeit ist, Zivilklage zu erheben, die den Nachbarn auffordert, das Füttern zu unterlassen.

«Manche Katzen sind unterbeschäftigt»

Martina Schybli, Leiterin der Fachstelle Heimtiere beim Schweizer Tierschutz, beobachtet, dass oft herzzerreissend miauende Katzen fremde Herzen schmelzen lassen. «Die Leute glauben dann, dass das Tier vernachlässigt werde, und beginnen es draussen anzufüttern.» Andere lassen eine fremde Katze gar ins Haus und versorgen sie, als wäre es ihr eigenes Tier.

Laut Schybli soll man als Besitzer mit dem Fütterer das Gespräch suchen, aber auch die Tierhaltung überdenken. Heute würden viele Katzen spontan angeschafft, ohne Information über die Bedürfnisse des Tieres. «Manche Katzen suchen fremde Gesellschaft, weil sie unterbeschäftigt sind oder ihr Zuhause nicht optimal ausgestattet ist.»

Und in anderen Fällen liegt das Fremdgehen in der Natur der Katze. «Selbst Katzen mit dem schönsten Zuhause und der besten Betreuung können es sich plötzlich bei jemand anderem bequem machen», sagt Simone Panier, tiermedizinische Praxisassistentin in der Tierklinik24. In den immer dichter besiedelten Gebieten sei die Chance umso grösser, dass sich die Katze ein noch besseres Plätzchen aussuche.

«Ich prüfe eine Zivilklage»

Patrizia will versuchen, die Nachbarin mit einem Schreiben zur Vernunft zu bringen. «Ich lege ihr einen Zettel in den Briefkasten, auf dem steht, dass Papaya krank ist und sie deshalb mein Spezialfutter braucht.» Nütze dies nicht, werde sie der Frau mit einer Zivilklage drohen.

Ein kleiner Trost bleibt Patrizia aber noch. «Meine drei anderen Katzen wollen dort auch immer wieder fressen. Zum Glück kommen sie aber immer wieder nach Hause.»

*Name der Redaktion bekannt.

Katzen fliegen beim Tierarzt auf

Fressen Katzen auch noch an fremden Orten, fliegen sie meist spätestens beim Tierarzt auf. «Meist zeigt sich dies bei der jährlichen Impfung, weil die Tierärztin dann eine Gewichtszunahme bei der Katze feststellt», sagt Simone Panier, tiermedizinische Praxisassistentin in der Tierklinik 24.

Sie warnt davor, fremde Katzen zu füttern. «Katzen können nicht nur verfetten, sondern auch krank werden.» Ansteckende Krankheiten wie Katzenschnupfen könnten auf diesem Weg verbreitet werden. «Sind sie aufgrund einer Nierenkrankheit oder Diabetes auf Spezialfutter angewiesen, kann falsches Futter die Krankheit verschlimmern.»

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