Die Grünen halten sich die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen. Einen Antrag, der eine Regierungsbeteiligung der Ökopartei an einer unionsgeführten Regierung ohne eigene Mehrheit ausgeschlossen hätte, lehnte der Bundesparteitag in Berlin ab. "Es liegt jetzt überhaupt nicht bei uns, das zu entscheiden", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Die Grünen seien "sehr gut damit gefahren, zu sagen, wir sind gesprächsbereit, und wir machen es von Inhalten abhängig".

Der Leitantrag des Bundesvorstands, den die Delegierten annahmen, betonte die Gesprächsbereitschaft der Grünen auch für eine Minderheitsregierung. Nach dem Scheitern der Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen erwägt die SPD, wieder in eine große Koalition zu gehen oder mit einer Minderheitsregierung zusammenzuarbeiten. Sollte dies nicht zustande kommen, könnte sich die Frage einer Minderheitsregierung unter Beteiligung oder durch Duldung der Grünen stellen.

Für den Fall einer Neuwahl halten die Grünen sich die Möglichkeit offen, die für Ende Januar geplante Neuwahl des Parteivorstands bis spätestens Ende Juni aufzuschieben.

"Wir sind bereit zu Gesprächen mit allen demokratischen Parteien und bereit zu Kompromissen, die Deutschland und Europa voranbringen", sagte Parteichef Cem Özdemir zum Auftakt. Für die Grünen gelte der Grundsatz: "Erst kommt das Land, dann kommt die Partei."

Özdemir rechtfertigte die Zugeständnisse, die die Grünen-Delegation in den Sondierungen gemacht hatte: "Es gibt keinen Grund sich zu schämen, das Ganze hätte sich sehr gelohnt." So habe es ein Angebot beim für die Grünen wichtigen Thema Kohleausstieg gegeben. Für eine Einigung hätte aber auch der Familiennachzug für Flüchtlinge im Gesamtpaket sein müssen.

Für den Fall, dass es zu einer neuen großen Koalition kommt, kündigte Özdemir eine konsequente Oppositionspolitik an. Seine Partei werde die Fahne derjenigen hochhalten, "die für Klimaschutz und Menschlichkeit stehen", sagte er vor den Delegierten. Sein Parteikollege Jürgen Trittin sagte, die Grünen müssten im Fall einer neuen großen Koalition eine Führungsrolle auf der Oppositionsbank übernehmen. Die Grünen wären im Fall einer großen Koalition dann nach AfD, FDP und Linken die kleinste Oppositionsfraktion.

Die anderen Parteien dürften nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, sagte der schleswig-holsteinische Grünen-Politiker Robert Habeck. Nach dem Abbruch der Verhandlungen gebe es bei den Grünen ein Gefühl der Ohnmacht, sagte er. "Ich stehe hier mit guten Papieren und leeren Händen." Dieses Gefühl dürfe die Partei nicht lähmen. Eine Diskussion über die künftige Parteiführung solle nicht jetzt stattfinden, sagte Habeck, der als Parteichef und damit als Nachfolger von Özdemir im Gespräch ist.

Özdemir machte erneut die FDP für das Scheitern der Sondierungen verantwortlich. Deren Rückzug aus den Jamaika-Verhandlungen sei nicht inhaltlich, sondern taktisch begründet gewesen. Die FDP sei schon 2013 an sich selbst gescheitert, "so wie sie jetzt wieder gescheitert ist". FDP-Chef Christian Lindner fehle es an der "notwendigen Demut".

"Deutschland 2017 ist ganz sicher nicht Weimar"

Die Bundesrepublik sei trotz der bisher gescheiterten Regierungsbildung nicht in einer Staatskrise. "Deutschland 2017 ist ganz sicher nicht Weimar", sagte Özdemir. Das Land sei aber nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern sei auch Anker für liberale Demokratie und Klimaschutz in Europa. Deshalb sei es bedauerlich, dass der französische Präsident Emmanuel Macron aus Berlin bisher keine Antwort auf seine Reformvorschläge bekommen habe.

Özdemirs Co-Parteichefin Simone Peter äußerte die Erwartung, dass es zu einer großen Koalition kommen werde. Sie habe den Eindruck, dass die SPD acht Wochen nach der Bundestagswahl genug von der Opposition habe und doch wieder in den "Schoß" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurückkehren werde.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sieht die Schuld für das Ende der Gespräche bei der FDP. "Wir waren überzeugt, dass wir etwas Gutes für unser Land zustande hätten bringen können, wenn die FDP nicht panisch vor der Verantwortung davongelaufen wäre", sagte Hofreiter. Die Sondierungen hätten auch die Unterschiede zwischen den demokratischen Parteien in Deutschland gezeigt. Es sei gut, dass es eine so große Auswahl bei der Wahlentscheidung gebe. "Wir sind die letzte handlungsfähige, progressive, linke Partei, die es in diesem Land gibt", fügte Hofreiter hinzu.

Die Grünen wollen auf ihrem eintägigen Parteitag die Bundestagswahl und die geplatzten Jamaika-Sondierungen aufarbeiten. Die 14 Mitglieder des Sondierungsteams berichten den rund 850 Delegierten von den Verhandlungen mit Union und FDP. Ursprünglich hatte die Partei den Parteitag angesetzt, um nach den Gesprächen mit Union und FDP über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu entscheiden.

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