Es gab ein großes Echo im Saal, als das Schalker Staatsoberhaupt Clemens Tönnies vorigen Sommer vor mehr als 9000 Klubmitgliedern das Gelübde ablegte, sich nicht mehr zur Gelsenkirchener Tagespolitik zu äußern. "Jetzt kommen wir zum Positiven", hatte er sein Gelöbnis eingeleitet: "Wer die letzten Wochen verfolgt hat, stellt fest, dass ich mich total aus der Öffentlichkeit zurückgezogen habe. . ." Hurra-Rufe und Ovationen unterbrachen die Rede.
Clemens Tönnies hat Wort gehalten, genau darin liegt jetzt aber das Problem. Es mangelt zwar nicht an Leuten, die sich zur Lage in Schalke äußern, doch es sind nicht die richtigen Leute und nicht die richtigen Themen. Schalke ist wieder die öffentlichste Bühne der Liga, es gibt Diskussionen und Gezeter auf allen Ebenen, aber es gibt niemanden, der die Diskussionen moderiert und das Gezeter beendet. Am Wochenende beschwerte sich der formell bis 30. Juni amtierende Manager Horst Heldt, dass Nachfolger Christian Heidel öffentlich Überlegungen zum vorzeitigen Dienstbeginn anstellt ("ab 16. Mai bin ich voll und ganz mit Schalke beschäftigt"); nun setzt sich Heidel nicht ohne Polemik gegen Heldts Zurechtweisungen zur Wehr ("wir werden sicher nicht zusammen im Büro sitzen").
Weil Tönnies schweigt, beendet keiner das Machtvakuum
Heidel kommt auf das Betreiben von Tönnies nach Schalke, während Heldt auf Betreiben von Tönnies Schalke verlassen muss. Und was sagt Tönnies nun zur Fehde seiner Manager? "Alles nur ein kleines Missverständnis. Weiter will ich mich nicht äußern." Diskretion ist jetzt aber ausnahmsweise nicht das vornehmste Gebot. Stattdessen geht es um die dringend nötige Bereinigung der wirren Schalker Verhältnisse. Während ein weitgehend machtloser Noch-Manager an Ort und Stelle das Tagesgeschäft verantwortet, hat der Noch-Nicht-Manager aus der Ferne längst begonnen, die Dinge von Morgen zu regeln. Das sorgt für Reibung und wachsende Erhitzung. Probleme ergeben sich einerseits aus den beteiligten Charakteren und der angespannten sportlichen Situation, andererseits aus der abenteuerlichen Konstruktion des Managementwechsels. Akut betroffen vom machtpolitischen Vakuum ist Trainer André Breitenreiter, der permanent zu hören bekommt, dass er Schalke bald verlassen muss. Verständlich, dass er schlechte Laune hat. Noch schlechter wird seine Laune dadurch, dass weder Heldt oder Heidel oder Tönnies den Mutmaßungen ein Ende setzen.
Den Stand von Breitenreiters Beschäftigungsverhältnis zu klären, ist vor dem Bundesligafinale die wichtigste Aufgabe auf Schalke. Doch für eine endgültige Bekanntmachung ist Heidel noch nicht zuständig, während Heldt nicht mehr verantwortlich ist. Es sind wieder mal höchst spezielle Schalker Verhältnisse.