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Person of Interest: Aletheia - TV-Kritik

Ein Gespräch über Entropie gerät hitzig... / (c) CBS
Ein Gespräch über Entropie gerät hitzig... / (c) CBS

Finch, Shaw und Claypool stecken gewaltig in der Klemme. Reese und Fusco können ihnen nicht helfen. Unterstützung kommt von unerwarteter Seite. Allerdings ist das nur der Beginn für neue Auseinandersetzungen - mit gleich mehreren Gegnern.

It's hammer time!

Das passiert in der Person of Interest-Folge Aletheia:

Finch (Michael Emerson), Shaw (Sarah Shahi) und Claypool (Saul Rubinek) sind in der Hand von Hersh (Boris McGiver) und Control (Camryn Manheim). Control will die Kontrolle über die Maschine erlangen. Plan B ist der Zugriff auf die Laufwerke, die Claypool vor der Beendigung seines Projekts beiseite geschafft hat - und in denen der Kern einer zweiten Maschine, Samariter, liegt. Bevor Hersh mit dem Verhör beginnen und Shaw auf Befehl von Control hin exekutieren kann, stürmt jedoch Root (Amy Acker) in das Zimmer - und kann die drei Gefangenen mit Waffengewalt befreien. Sie selbst wird dabei jedoch angeschossen und findet sich bald in einer Zelle wieder, wo Control sie einem drogen- und foltergestützten Verhör unterzieht. Control hat nämlich erkannt, dass Root Zugriff auf die Maschine haben muss. Und genau den will sie selbst haben.

Finch, Shaw und Claypool fahren unterdessen zu der Bank, wo Claypool die Laufwerke in einem Schließfach untergebracht hat. Unglücklicherweise weiß davon auch Vigilance. Die Terroristen unter Führung von Collier (Leslie Odom Jr.) überfallen die Bank - und verschanzen sich darin. Finch, Claypool und eine Bankangestellte (Jennifer Lim) schließen sich selbst in den Tresorraum ein, während Shaw eine Möglichkeit sucht, wie sie aus der Bank entkommen können, die inzwischen von Hersh und einem S.W.A.T.-Team umstellt worden ist.

Reese (Jim Caviezel) und Fusco (Kevin Chapman) sitzen unterdessen nach ihrer kleinen Schlägerei in Colorado im Knast. Und zumindest Reese scheint das gar nicht sonderlich zu stören. „Einige der besten Urlaube, die ich hatte, waren hinter Gittern...

OMG!

O mein Gott! Wo soll man nur anfangen? Aletheia ist eine so dermaßen dicht gepackte und spannende Folge... 45 Minuten sind vorbei und man hat das Gefühl, man hätte einen zweistündigen Kinofilm gesehen. Kurz gesagt: Person of Interest macht im neuen Jahr genau dort weiter, wo die Serie im alten aufgehört hat: als rasanter Actionthriller, der den Zuschauer kaum zum Atmen kommen lässt. Garniert mit einer schönen Portion Humor, Emotion und Tiefsinn.

Es ist und bleibt nicht nur eine Freude, diese Serie anzuschauen. Man kommt kaum um den Eindruck herum, dass sie sich tatsächlich von Folge zu Folge zu Folge immer weiter und weiter steigert.

Achterbahnfahrt

Nehmen wir nur einmal den Plot mit Root: Amy Acker spielt wie immer fantastisch. Das Drehbuch unterzieht sie in dieser Folge aber auch einer echten Achterbahnfahrt - und das nicht nur während ihrer Drogen-Tortur. Aus der Retterin in höchster Not wird selbst eine Gefangene. Aus dem Folteropfer wird das überlegene Sprachrohr der Maschine.

Mehr denn je wird deutlich, dass die Maschine für Root so etwas wie Gott ist (Aletheia, der Episodentitel, verweist übrigens auf die griechische Göttin der Wahrheit). Und wie eine Märtyrerin nimmt Root die Qualen auf sich, die mit ihrem Dienst für die Göttin Maschine einhergehen. Es verwundert von daher auch nicht, dass Teile ihres Gesprächs mit Control fast theologische Züge annehmen, etwa als Control sie fragt, warum die Maschine es zulässt, dass Root in dem Käfig eingesperrt und gefoltert wird.

Ein echter Moment zum Luftanhalten ist die Szene, als die Maschine auf einmal durch Root hindurch zu Control spricht. Und man sich langsam fragen muss, wie weit diese Symbiose zwischen Root und ihrer Göttin wohl noch gehen wird.

Folter

Das Folterszenario mit dem Arsenal an Spritzen und schließlich der einsetzenden Verstümmelung von Roots Sinnesorganen ist wahrhaft furchteinflößend. Und Camryn Manheim genießt es sichtlich, einmal den großen Bösewicht zu spielen.

Sehr schön ist auch der Verweis auf die Folterszene in Relevance und die Verbindung zwischen Root und Shaw, welche die Macher in Aletheia herstellen, indem sie Root (wie damals Shaw) die Folter zunächst mit „This is fun“ kommentieren lassen. Ohnehin merkt man, dass zwischen den beiden Frauen eine Nähe besteht: als Root etwa Harold am Anfang kritisiert, dass er sie nicht von vornherein hat helfen lassen, da stellt sich Shaw auf ihre Seite.

Finesse

Shaw ist in Aletheia natürlich vor allem eine kampfstarke Lieferantin grandioser One Liner („I have coming finesse out of my ass!“). Doch sie zeigt auch weiterhin Wachstum als Charakter: amüsiert verfolgt sie die College-Geschichten, die Claypool über die gemeinsame Zeit mit Harold zu erzählen weiß, und begegnet Claypool mit unverkennbarer Sympathie. Es ist nicht zu übersehen: sie erwärmt sich mehr und mehr für andere Menschen.

Reflektion

Harold selbst sieht sich in Gestalt von Claypool mit einer Art Spiegel (und natürlich - über dessen Erkrankung - mit der Erinnerung an seinen eigenen Vater) konfrontiert. Claypool (der wunderbare Saul Rubinek!), dessen Samariter so viele Parallelen zu Harolds eigener Maschine aufweist, zwingt ihn dazu, sich mit seinem Geschöpf auf eine neue Weise auseinanderzusetzen. Indem er mit einem Kollegen spricht, der an genau der gleichen Sache gearbeitet hat, reflektiert Harold über Verantwortung und Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Dabei offenbart er ganz ähnliche Zweifel wie Reese: „I am not sure we should have built it...“ Ist es die Opfer und Verluste wert? Die guten Menschen, die deshalb schon sterben mussten?

Die Sinnkrise

Detective Carter (Taraji P. Henson) ist zweieinhalb Staffeln lang ein integraler Bestandteil von Person of Interest gewesen. Die meiste Zeit davon gehörte sie zum Team Maschine (so hat CBS das PoI-Team mittlerweile getauft). Ihr Tod hat die Zuschauer hart getroffen. Und ihr Verlust drückt natürlich auch immer noch schwer auf den Figuren. Die Handlung ist in Windeseile vom HR- zum Samariter-Plot fortgeschritten. Doch die Figuren haben das, was passiert ist, noch längst nicht verarbeitet.

Viele Serien wären mittlerweile einfach zur Tagesordnung übergegangen. Nicht so Person of Interest. Die Serie nimmt den Verlust von Carter wirklich ernst. Wenn es je einen Moment gab, die Sinnfrage zu stellen, dann ist es hier und jetzt. Das tut Finch. Und noch mehr Reese. Trotz der tollen Maschine, die Gewaltverbrechen vorhersagen kann, ist es ihnen nicht gelungen, Carter zu retten. Von daher ist die Frage, die Reese in seinem Gespräch mit Fusco stellt, ja durchaus berechtigt: Tun sie wirklich Gutes? Oder schieben sie das Unvermeidliche einfach nur hinaus?

In beiden Gesprächen - sowohl zwischen Finch und Claypool als auch zwischen Reese und Fusco - kommt die Entropie zur Sprache: darunter versteht man im Allgemeinen die Zunahme von Unordnung in einem System (und die Erfordernis, Energie aufzuwenden, um eine Ordnung herzustellen). Die Physiker unter uns sind gerne eingeladen, meine laienhafte Definition in den Kommentaren richtig zu stellen... Wie dem auch sei: Die Frage, die sich Finch und Reese stellen, lautet: Warum sich der Entropie entgegenstellen? Welchen Sinn soll das haben?

Für Reese lautet die Konsequenz, dass er kündigt. Er kommt zwar noch einmal für einen glorreichen Han-Solo-Moment zurück nach New York. Aber er tut dies nur, um Finch - als jemand, den die Welt nicht verlieren dürfe - zu retten. Und Lebwohl zu sagen. Wird es ein Abschied auf Immer? Denkbar, aber nicht unbedingt wahrscheinlich. Die Frage wird also eher sein: Was kann Reese motivieren, die Arbeit wieder aufzunehmen? Was wird ihm den Glauben an den Sinn seiner gemeinsamen Arbeit mit Finch und Shaw zurückgeben?

Decima

Und dabei könnte Finch gerade jetzt jede Hilfe gebrauchen: Als wäre der Zwei-Fronten-Konflikt mit Control und Vigilance noch nicht genug, meldet sich in Aletheia auch noch Decima Technologies in Gestalt von Mr. Greer (John Nolan) zurück. Decima hat jetzt die Laufwerke mit dem Samariter-Programm. Was nichts Gutes verheißt.

Nachlässigkeiten

Bei allem Lob für die Folge kommt man nicht umhin, ein paar Nachlässigkeiten festzustellen: Wo hat Camryn Manheim das Verabreichen von Injektionen gelernt - in 80er Jahre Serien? Wie kann es sein, dass Jung-Harold mit einem Computer, der gerade eben noch in Flammen stand, im nächsten Moment das Arpanet hackt? Und wie kommt es, dass die Decima-Agentin genau die richtigen Laufwerk-Modelle zum Austausch dabei hatte? Das sind Momente, die den geneigten Zuschauer etwas stutzen lassen können. Und die der Folge fast die vollen fünf Sterne gekostet hätten..

Fazit

Nicht ein, nicht zwei, sondern gleich drei gegnerische Organisationen, die alle ihre jeweiligen Interessen verfolgen - und dabei vor nichts (im Falle der Vigilants noch nicht einmal vor Selbstmord-Attacken) zurückschrecken. Eine Maschine, die uns allein schon auf Grund ihrer Allianz mit Root nicht mehr ganz geheuer ist (auch wenn wie am Ende einen sehr mitfühlenden Zug zeigt). Und schließlich Hauptfiguren, die noch zutiefst unter dem Eindruck vergangener Ereignisse stehen. Person of Interest bietet in Aletheia einen überaus spannenden und bewegenden Mix, der den Zuschauer bestens zu unterhalten versteht - und große Vorfreude auf den weiteren Verlauf der Staffel weckt.

Christian Junklewitz

Der Artikel Person of Interest: Aletheia - TV-Kritik wurde von Christian Junklewitz am Uhr erstmalig veröffentlicht.

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