1. Niemand hat die Absicht, 100 Meilen zu laufen. Oder etwa doch?

    tl;dr: wer sich ständig mit anderen vergleicht, ist nie zufrieden. Oder auch: jeder hat seine eigenen Ziele.

    Die Langstreckenlauf-Gemeinschaft Mauerweg e.V. organisierte nach 2011 den zweiten 100-Meilen Mauerweglauf in Berlin. Am vergangenen Wochenende liefen 223 verrückte und verdammt ausdauernde Menschen aus 18 Ländern die 160,9 Kilometer. Ja, zu Fuß. Ja, am Stück. Ja, das geht - aber es ist alles andere als ein Spaziergang. Nach 30 Stunden waren 174 davon im Ziel angekommen. “Peter Flock aus Thüringen (auf dem unteren Foto) gewinnt die zweite Auflage des Mauerweglaufs in 15:53 Stunden und stellt damit einen neuen Streckenrekord auf. Zweiter wird der Italiener Federico Borlenghi vor seinem Landsmann Giovanni TorelliBei den Frauen siegt Annett Bahlckevon der LG Nord mit einer Laufzeit von 17:13 Stunden. Auch sie verbessert die bisherige Streckenbestzeit und wird damit Gesamtdritte.”

    Der Mauerweglauf hat eine ganz besondere Atmosphäre, denn der geschichtliche Hintergrund gibt dem Im-Kreis-Rennen einen zusätzlichen Sinn. Es wird an Geschichte erinnert, an das was die Mauer für die Menschen damals bedeutete. Der Streckenverlauf ist nicht willkürlich gewählt, wie bei den meisten anderen Laufveranstaltungen, und unterwegs sieht man immer wieder Hinweistafeln und Orte des Gedenkens.

    Die Finisher-Medaille wurde in diesem Jahr Günter Litfin gewidmet. Er starb am 24. August 1961 bei seinem Fluchtversuch in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs. Beim Durchschwimmen des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals traf ihn die Kugel eines Polizisten am Kopf. Sein Bruder Jürgen, der am Tag nach der Erschießung verhaftet wurde, betreut heute die Günter-Litfin-Gedenkstätte in einem ehemaligen Grenzturm. Die Gedenkstätte war in diesem Jahr auch zugleich der erste Verpflegungspunkt der 100MeilenBerlin 2013.

    Ich war dabei, um eine der 12 Staffeln zu begleiten. Die 4 Staffelläufer waren jeweils “nur” 40 km unterwegs. Für mich ist auch diese Strecke viermal mehr als das, was ich sonst so laufe. Doch während ich so 23 Stunden unterwegs war, völlig beeindruckt von der Stimmung und den Emotionen, dachte ich mir immer wieder: krass, was alles möglich ist, wenn man ein Ziel hat und lange Zeit hartnäckig dafür arbeitet. Dafür braucht es nicht nur während des Laufs einiges an Willenskraft, sondern vor allem in den Monaten/Jahren davor viel Disziplin. Große Ziele erreicht man eben nicht durch planlose, kurzfristige Pseudovorbereitung.

    Fast hätte mich die Veranstaltung ein bisschen deprimiert. Gegen das, was diese SportlerInnen tun, ist meine 10 Kilometer Strecke ja quasi nichts. Ein Witz. Die Staffelläufer wiederum könnten theoretisch weniger stolz sein, weil ja gleichzeitig andere Leute viermal so viel gelaufen sind. Doch genau den Fehler macht man wahrscheinlich viel zu oft: die eigene Leistung weniger wertschätzen, weil es immer noch mal jemanden gibt, der besser ist, schneller ist, oder mehr erreicht hat. 

    Ich bin an dem Tag ungefähr 6 Stunden S-Bahn gefahren und währenddessen habe ich für mich beschlossen, mich von extremen Leistungen inspirieren und motivieren zu lassen, anstatt mich schlecht zu fühlen. Beim 100-Meilen Mauerweglauf 2014 möchte ich auch mitlaufen, dann wird es 10-er Staffeln geben. 16 km sind immerhin ein Stück mehr als bisher. Und vielleicht ist nächstes Jahr für mich auch die Zeit gekommen, endlich einen Halbmarathon zu laufen. Wenn andere SportlerInnen 160 km (oder auch 246 km wie beim Spartathlon) hinter sich bringen, dann schaffe ich auch die 21,0975 Kilometer. Aber nur mit entsprechender Vorbereitung natürlich.