Steuertricks in den USA Microsoft spart 30 Milliarden Dollar Steuern

Apple tut es, Starbucks und Amazon ebenfalls - aber in Sachen Steuersparen ist vor allem Microsoft unschlagbar: Der Software-Riese spart in den USA fast 30 Milliarden Dollar Steuern.

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Der Software-Konzern Microsoft ist international präsent. Seine Niederlassungen in Irland, Singapur, Bermuda und Puerto Rico nutzt er, um Unternehmenssteuern in Höhen von fast 30 Milliarden Dollar zu sparen. Quelle: AP

Zunächst interessierte es kaum jemanden. Aber weil immer mehr US-amerikanische Unternehmen die legale Steuerflucht ins Ausland praktizieren, schauen jetzt viele Beobachter genauer hin. Und sie sind fündig geworden.

Im Jahresabschluss-Bericht von Microsoft, den der Software-Gigant bereits Ende Juli der US-Börsenaufsicht SEC vorlegte, findet sich zur Steuerbelastung des Unternehmens ein brisanter Absatz. Darin steht, dass Microsoft nach den dort gültigen Bilanzierungsvorschriften 29,6 Milliarden Dollar an Unternehmenssteuern hätte zahlen und im Jahresabschluss ausweisen müssen - wenn es sich nicht um Einkünfte und Vermögen außerhalb der USA gehandelt hätte.

Oder anders formuliert: Hätte der Konzern aus Redmond im US-Staat Washington seine außerhalb der USA gehorteten Einnahmen von 92,9 Milliarden Dollar in die USA überführt, wären Unternehmenssteuern in dieser Größenordnung fällig gewesen. So aber zahlte Microsoft im abgelaufenen Geschäftsjahr in den USA lediglich 5,5 Milliarden Dollar Einkommensteuer. Zur Steuervermeidung nutzt Microsoft Niederlassungen in Irland, Singapur, Bermuda und Puerto Rico.

Übernahmen mit Steuerersparnis

Die Kritik an den Steuervermeidungsstrategien der Unternehmen wird in den USA immer lauter. Denn was einzelne Firmen bereits seit Jahrzehnten praktizieren, kommt dort zunehmend in Mode. Dadurch sind die Einnahmen aus der Unternehmenssteuer dramatisch gesunken.

Kam in den Achtzigerjahren noch ein Drittel aller Steuereinnahmen von Unternehmensseite, sind es heute nur noch zehn Prozent. Amerika, das in den vergangenen Jahren wegen seiner hohen Staatsverschuldung gleich mehrmals nur knapp der - wenn auch politisch herbeigeredeten - Zahlungsunfähigkeit entging, könnte die Milliarden gut gebrauchen. Denn das Geld wird für dringende Investitionen in die Infrastruktur, Bildung und Sicherheit benötigt, von denen auch die Unternehmen profitieren.

Doch Fakt ist nunmal: Das US-Steuersystem erlaubt es den Konzernlenkern, den Haupt- oder Steuersitz ins Ausland zu verlagern - wenn sie dort eine Tochtergesellschaft besitzen. Dafür genügt unter Umständen schon eine Beteiligung von nur 20 Prozent. Immer mehr gut verdienende Firmen betreiben die sogenannte "Inversion", zu deutsch "Umkehrung", indem sie Unternehmen außerhalb der USA aufkaufen und ihren Steuer- oder gleich den Unternehmenssitz nach Irland, in die Niederlande oder andere steuerlich vorteilhafte Länder verlagern. Sofern sie ihre Einnahmen dort dauerhaft reinvestieren, fallen in den USA keine Unternehmenssteuern an.

Allein in diesem Jahr soll es schon 14 dieser "Inversionen" von großen US-Unternehmen gegeben haben, im Vorjahr waren es 19. Der Organisation "Citizens for Tax Justice" (Bürger für Steuergerechtigkeit) zufolge sparen sich allein die 500 erfolgreichsten US-Unternehmen auf diese Weise Steuerzahlungen im Volumen von 550 Milliarden Dollar. Dafür parken sie etwa zwei Billionen Dollar Gewinn jenseits der USA. Mit dem Geld bezahlen sie dann etwa Zukäufe anderer Firmen.

Keine Steuerreform in Sicht

Jüngster Fall: Der Fastfood-Konzern Burger King schluckte die kanadische Kaffee- und Donut-Kette Tim Hortons - und legte seinen Sitz offiziell in das Nachbarland. Dabei muss der Wechsel nur auf dem Papier erfolgen, Verwaltung und Produktionsstätten können in den USA weitermachen wie bisher. Netter Nebeneffekt: Während der Unternehmenssteuersatz in den USA 35 Prozent beträgt, werden in Kanada nur 26,5 Prozent fällig.

Die Steuerflüchtlinge unter deutschen Unternehmern
Klaus-Michael KühneSein Vermögen wird auf sieben bis acht Milliarden Schweizer Franken geschätzt. Bekannt ist Kühne in Deutschland als Großaktionär der Hamburger Reederei Hapag Lloyd und als Investor des Hamburger SV. An der Spedition Kühne+Nagel hält der 76-Jährige 53,3 Prozent. 1966 verlegte er den Firmensitz in die Schweiz. Quelle: dpa
Die Familie LiebherrAuf ein Vermögen von sieben bis acht Milliarden Franken hat es die Familie Liebherr mit Baumaschinen, Haushaltsgeräten und Hotels gebracht. Der Firmensitz der Dachgesellschaft wurde 1982 in die Schweiz verlegt. Quelle: dpa
Die Familie JacobsDas Geschäft der Familie begann mit einem Kolonialwarenladen in Bremen und wuchs zu einem internationalen Lebensmittelkonzern. Rund 19 Prozent des Zeitarbeitskonzerns Adecco gehören den Jacobs. Der Schweizer Schokoladenkonzern Barry Callebaut gehört zu rund 70 Prozent dem Familienunternehmen. Auf rund sieben bis acht Milliarden Euro wird das Vermögen der Familie Jacobs geschätzt. (Im Bild: Klaus J. Jacobs) Quelle: AP
Die Familie von FinckSeit 1999 lebt der ehemalige Geschäftsführer der Privatbank Merck Finck & Co., August von Finck, in der Schweiz. Ihr Vermögen von rund 5,5 Milliarden Franken hat die Familie unter anderem in die Hotelkette Mövenpick investiert. Quelle: dpa
Die Wella-Erben2003 verkauften die Mitglieder der Wella-Gründerfamilie Ströher das Haarprodukte-Unternehmen für mehr als sechs Milliarden Euro an Procter & Gamble. Das Vermögen der Familie wird auf 4,5 Milliarden Franken geschätzt. Quelle: dpa-dpaweb
Karl-Heinz KippAuf 4,5 Milliarden Schweizer Franken wird das Vermögen des 89-jährigen Karl-Heinz Kipp geschätzt. Der ehemalige Eigentümer der Massa-Märkte besitzt mit dem Tschuggen Grand Hotel in Arosa und dem Carlton in St. Moritz zwei Fünfsterne-Hotels. Quelle: PR
Erich und Helga Kellerhals21,6 Prozent halten der Mediamarkt-Gründer Erich und Helga Kellerhals an der Metro-Tochter Media Saturn. Bei wichtigen Entscheidungen haben sie immer noch ein Vetorecht. Geschätztes Vermögen: Vier bis 4,5 Milliarden Franken. Quelle: dpa

Präsident Barack Obama und die Demokratische Partei haben "Inversion" bereits öffentlich scharf kritisiert. Eine Reform des Steuersystems trauen Experten der Regierung angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Land jedoch nicht zu. Demokraten und Republikaner blockieren sich in dieser Frage gegenseitig. Die Republikaner fordern einen niedrigeren Steuersatz, die Demokraten wollen die Hürden für eine Inversion erhöhen.

Tatsächlich geht es weniger um eine Senkung des Steuersatzes. Denn tatsächlich zahlt kaum ein Unternehmen die vollen 35 Prozent. Nach Angaben des Nachrichtensenders n-tv zahlt jeder vierte große US-Konzern überhaupt keine Steuern. Und Firmen, die die regulären Möglichkeiten zur Steuersenkung nutzen, zahlen im internationalen Vergleich nicht die höchsten, sondern vergleichsweise wenig Steuern.

Daher geht es inzwischen vielmehr um die Frage, ob die USA als eines von ganz wenigen Ländern im Ausland erwirtschaftete Gewinne überhaupt besteuern sollen. Einige Ökonomen würden die Unternehmenssteuer gerne abschaffen, dann könne sie auch nicht umgangen werden. Stattdessen wäre eine Mehrwertsteuer wie hierzulande denkbar.

Kritiker dieses Vorschlags bezweifeln allerdings, dass die Unternehmen dann wieder ihre Gewinne im Heimatland deklarieren. Das "Manager Magazin" zitierte den US-Ökonomen Dean Baker mit der zynischen Einschätzung, Unternehmen würden 99,99 Dollar dafür ausgeben, 100 Dollar an Steuern zu sparen.

Im Fall von Microsoft ist das für den amerikanischen Fiskus besonders bitter. Das Unternehmen hat sein Auslandskapital in den vergangenen Jahren massiv vergrößert, indem es seine wichtigsten Gewinnbringer - die Lizenzrechte für das Betriebssystem Windows und die Bürosoftware Office - schrittweise in Steueroasen verlagert hat.

Zwischen 2007 und 2013 stieg das im Ausland gehaltene Kapital von 6,1 auf 76,4 Milliarden Dollar. Dabei hat Microsoft technisch betrachtet noch nicht einmal eine "Inversion" vorgenommen und seine Zentrale in den USA nicht zu einer Niederlassung einer ausländischen Gesellschaft gemacht. Dennoch sparte Microsoft auch auf die Umsätze in den USA 4,5 Milliarden Dollar an Steuern - pro Tag mehr als vier Millionen Dollar.

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