Drei Viertel aller Schuldner – oder jeder dreizehnte Deutsche - besitzen so wenig, dass der Gerichtsvollzieher gar nichts pfänden könnte. Müssen in solchen Fällen Eltern, Geschwister und Kinder einspringen? FOCUS Online erklärt die Haftungsfrage.
6,6 Millionen Menschen in Deutschland sind verschuldet. Das ist jeder zehnte Erwachsene. 3,8 Millionen davon gelten laut Schuldneratlas der Auskunftei Creditreform sogar als besonders „intensiv“ verschuldet.
In diese Kategorie fallen Schuldner, die bereits in juristische Prozesse und Inkasso-Fälle verstrickt sind. Sie schaffen es regelmäßig nicht, ihre Rechnungen zu zahlen. Entsprechend häufig kommt der Gerichtsvollzieher zu Besuch.
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Pfändung lohnt sich oft nicht
Dann droht die Zwangsvollstreckung - oder auch nicht. Bei völlig überschuldeten Bürgern gibt es für den Gerichtsvollzieher häufig gar nichts zu vollstrecken; weil einfach nichts da ist, was gepfändet werden könnte.
Manchmal rentiert sich die Pfändung auch nicht: „Aus Möbeln, gebrauchten Geräten oder Autos viel Geld zu machen, ist nur noch selten erfolgreich“, sagt Thomas Riemann von Creditreform.
Noch deutlicher wird Michael Weinhold von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV): „Dass tatsächlich Besitz gepfändet wird, erleben wir so gut wie nicht. Der Verkaufswert in einer Versteigerung wäre oft viel zu gering.“
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Denn dieser Wert muss stimmen, damit der Gerichtsvollzieher überhaupt aktiv werden darf: Der Gesetzgeber verbietet eine Pfändung, wenn die Kosten der Zwangsvollstreckung den erwarteten Erlös übersteigen.
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Eigenes Haus muss zu Geld gemacht werden
Auch viele Gläubiger resignieren angesichts der geringen Erfolgsaussichten bereits frühzeitig oder lassen sich auf Raten-Zahlungen ein. Sie erwarten schlichtweg nicht, dass Ihnen eine Pfändung einen nennenswerten Teil ihres Geldes zurückbringen könnte. Dazu ist der Schuldenberg vieler Bürger einfach zu hoch: Im Durchschnitt stehen Verschuldete mit 33.500 Euro in der Kreide.
Die größten Gläubiger in Deutschland
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) verdienen mehr als drei Viertel aller Schuldner weniger als 1.300 Euro im Monat. Basis für diese Erhebung waren Menschen, die bereits einen Schuldnerberater aufgesucht und zugestimmt haben, dass ihre anonymisierten Daten statistisch genutzt werden,
Hochgerechnet auf alle Schuldner wären damit also für rund fünf Millionen Bürger größere Anschaffungen, die gepfändet werden könnten gar nicht drin. Das ist jeder dreizehnte Erwachsene.
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Wo versteckt sich der Gegenwert?
Doch irgendwo müssen die Schulden ja herkommen. Wo versteckt sich also der Gegenwert? Einerseits sinkt dieser bei Sachgegenständen ganz einfach durch Verschleiß. Andererseits ist eine „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ nicht einmal der Hauptgrund für Verschuldung.
Zu den größten Verschuldungsrisiken zählt Creditreform Arbeitslosigkeit, Trennungen und Krankheit.
Tricksereien sind anfechtbar
Verzerrt wird die Statistik durch trickreiche Schuldensünder, die versuchen, ihren Besitz vor dem Gerichtsvollzieher zu verbergen. Zum Beispiel, indem sie das Auto bei Verwandten parken. „Oder das Haus wird auf die unverschuldete Ehefrau überschrieben“, sagt Riemann. „Solche Maschen lassen sich allerdings gerichtlich anfechten“, warnt Riemann.
Grundsätzlich könne der Gerichtsvollzieher das gesamte Vermögen pfänden, erklärt Chef-Justitiar Riemann. „Selbst die eigene Immobilie zur Altersvorsorge muss zu Geld gemacht werden“, sagt Riemann. Unterhaltszahlungen an Kinder oder (geschiedene) Ehepartner räumt der Gesetzgeber Vorrang ein.
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Auch Dinge, die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienen, dürfen nicht gepfändet werden, soweit sie der Schuldner für seine Berufstätigkeit und seine der Verschuldung angemessene bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt - zum Beispiel Kleidungsstücke, Wäsche, Haus- und Küchengeräte, ergänzt ein Sprecher vom Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen.
Lesen Sie weiter, welchen Teil ihres Vermögens der Gerichtsvollzieher niemals pfänden darf.