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Kampf gegen "Islamischer Staat" Was bringt die Online-Gegenpropaganda des US-Außenministeriums?

Mit eigenen Twitter- und Facebook-Accounts will das US-Außenministerium Amerikaner davon abhalten, sich Extremistengruppen wie dem IS anzuschließen. Eine Expertin findet die Bemühungen jedoch ineffizient und gefährlich.
Facebook-Seite des US-Außenministeriums: Angebot mit dem Ziel, Amerikaner von Terror-Organisationen fernzuhalten

Facebook-Seite des US-Außenministeriums: Angebot mit dem Ziel, Amerikaner von Terror-Organisationen fernzuhalten

Freiheitskämpfer oder Terror-Miliz? Echte Armee oder nur Menschen, die sich in diesem Stil inszenieren? Wie junge Menschen über radikale Gruppen wie "Islamischer Staat" (IS) denken, wird zunehmend durch soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube beeinflusst. Gerade der IS macht sehr professionell und variantenreich Eigen-PR: Neben Updates zu Kämpfen und Hinrichtungsvideos posten IS-Anhänger sogar Katzenbilder. Das Schlachtfeld wird als Abenteuerspielplatz präsentiert, auch, um junge Männer aus anderen Ländern nach Syrien und in den Nordirak zu locken.

Die US-Netzwerke versuchen, manches Propaganda-Material zu entfernen, dies gelingt jedoch nicht immer zeitnah. Gerade hat der IS einen Trailer ins Netz gestellt , der in Hollywood-Manier daherkommt, samt Explosionen und Zeitlupen. In einer Szene ist das Weiße Haus zu sehen, später folgt der Satz "Der Kampf hat gerade erst begonnen". Eine Kampfansage mit modernen technischen Mitteln.

Im US-Außenministerium scheint man sich der Faszination der IS-Progapanda bewusst. Seit weit über einem Jahr ist eine Einheit des Ministeriums damit beschäftigt, sich der Terror-Propaganda in den sozialen Netzwerken entgegen zu stellen. Viel zu lange sei der IS-Miliz die Meinungsmaschine Internet kampflos überlassen worden, heißt es aus US-Regierungskreisen. "Es gab Extremisten, die auch auf Englisch jede Art von vergifteten Meinungen äußern konnten", sagt ein Vertreter des Außenministeriums. Kaum jemand habe dagegen gehalten.

"Macht es nicht noch schlimmer"

Mittlerweile sendet das 2011 im US-Außenministerium eingerichtete Zentrum für strategische Anti-Terror-Kommunikation (CSCC) auf dem Online-Kurznachrichtendienst Twitter Nachrichten in die Welt, auf Englisch und Arabisch. Ende August wurde eine Facebook-Seite mit dem Namen "Think Again, Turn Away " ("Denk' nochmal nach, wende dich ab") eingerichtet. Dort werden IS-kritische Medienberichte verlinkt, Fotomontagen veröffentlicht. Auf einem Bild , das jemanden im Kapuzenpullover zeigt, heißt es: "Wenn du im Namen von Al-Qaida tötest, wirst du von der Menschheit dafür verantwortlich gemacht. Beschäme deine Familie und entehre dich selbst."

Auf Twitter feiern die Mitarbeiter des CSCC regelmäßig militärische Rückschläge für die Dschihadisten. Zugleich prangern sie das Vorgehen der Terrormiliz an: Eine Fotomontage etwa zeigt Syriens Staatschef Baschar al-Assad neben IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi vor einer in Ruinen liegenden Stadt. "Bagdadi und Assad im Wettstreit um die Zerstörung Syriens - macht es nicht noch schlimmer", steht in der dazugehörigen Bildunterschrift. In einer anderen Twitter-Botschaft werden Bilder von Massenhinrichtungen durch den IS neben Aufnahmen von Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg gestellt.

"Das Ziel ist, dass junge Menschen im Westen und in muslimischen Ländern zwei Mal nachdenken, bevor sie sich auf die Reise nach Syrien und in den Irak machen, um sich islamistischen Kämpfern anzuschließen", sagt der US-Regierungsvertreter. Ein anderer ranghoher Beamter des Außenministeriums beschreibt das Vorgehen als eine Art "Guerilla-Krieg" im Netz. Langsam und beständig sollen die Dschihadisten diskreditiert werden. Allerdings dürfe die Wirkung der Gegenpropaganda nicht überschätzt werden. "Es ist kein Wundermittel", räumt der Beamte ein.

Ist der "Twitter-Krieg" ineffektiv?

Tatsächlich steht die Online-Gegenpropaganda immer wieder in der Kritik. Es sei richtig, dass sich das Außenministerium mit dem Thema Social Media beschäftigt, schreibt Rita Katz im Magazin "Time" . Der "Twitter-Krieg" des Außenministeriums mit der IS sei aber "ineffektiv" und "peinlich". Katz ist Leiterin der SITE Intelligence Group, einer US-Firma, die die Online-Aktivität von Dschihadisten-Gruppen analysiert.

Auf Twitter komme es immer wieder zu Wortgefechten zwischen dem Außenministerium und Anhängern von Gruppen wie dem IS, bilanziert Katz. Unter anderem, weil der US-Account häufig aktiv auf Tweets von Dschihadisten reagiert. "Think Again, Turn Away" gebe den Dschihadisten eine Bühne, um ihre Argumente vorzubringen.

In belanglosen Streitereien werde dann mitunter diskutiert, wer mehr Menschen umgebracht hat. Dem Artikel zufolge passiert es zum Beispiel, dass Sympathisanten der Terror-Gruppen den Abu-Ghraib-Folterskandal in die Diskussion einbringen - "ein Thema, über das die US-Regierung wahrscheinlich lieber nicht auf Twitter streiten sollte - besonders nicht mit einem Publikum, das sie beeinflussen will."

"Diese Programme brauchen Zeit"

Am Endes ihres "Time"-Textes formuliert Katz ein vernichtendes Fazit: "Hätten die Menschen hinter 'Think Again, Turn Away' die Denkweise von Dschihadisten und die Gründe für deren Verhalten verstanden, hätten sie gewusst, dass die Entgegnungen auf Botschaften nicht nur eine Verschwendung von Steuergeldern sind, sondern letztlich auch kontraproduktiv."

Mildere Worte zur CSCC-Strategie kommen vom Terrorismus-Experten William Braniff von der Universität Maryland. Braniff findet, als Ganzes betrachtet seien die Bemühungen des CSCC immerhin ein Tropfen auf den heißen Stein. "Es gibt so viel extremistische Propaganda online", sagte Braniff. "Wir müssen diesen Programmen Zeit geben, damit sie ihre Wirkung entfalten."

mbö/AFP