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Rekordverlust der Deutschen Bank Der weite Weg nach Normal

Mit einem Rekordverlust schockiert der Deutsche-Bank-Chef John Cryan seine Aktionäre, nährt aber gleichzeitig die Hoffnung auf ein Ende der schlechten Nachrichten. Dabei fehlt der Bank eine überzeugende Strategie.
Deutsche-Bank-Chef Cryan: Eine einfachere, effizientere Deutsche Bank

Deutsche-Bank-Chef Cryan: Eine einfachere, effizientere Deutsche Bank

Foto: Fredrik von Erichsen/ dpa

John Cryan lieferte die Steilvorlage höchstselbst: In zehn Jahren werde das Bargeld aus unserem Alltag verschwunden und durch elektronische Zahlungsmittel ersetzt sein, orakelte der Co-Chef der Deutschen Bank   auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. "Bargeld wird vollkommen dematerialisiert."

Geld wird gerade vor allem in Cryans eigener Bank dematerialisiert, witzelten Wirtschaftsjournalisten danach. Nur wenige Stunden nach der kühnen Prognose des Briten teilte sein Geldhaus den größten Verlust seiner Geschichte mit: 6,7 Milliarden Euro hat Deutschlands größte Bank nach vorläufigen Zahlen im vergangenen Jahr verloren, bis zum endgültigen Abschluss im März könnte der Verlust noch wachsen.

Der seit Langem schwachen Aktie gab Cryan mit der Ankündigung den Rest: Bei unter 17 Euro notierte das Papier am Nachmittag.

Die Belastungen seien die Konsequenz aus den notwendigen Entscheidungen, schreibt Cryan in einer Mitteilung  an die rund 100.000 Mitarbeiter. Die Bank würde dadurch aber einfacher, effizienter, ihr Geschäft weniger riskant. Ein frommer Wunsch angesichts von weiteren 1,2 Milliarden Euro, die die Bank im Schlussquartal 2015 für Streitigkeiten mit der Justiz und Regulierern einplante.

"John Cryan ist fehl am Platz"

Hat Cryan die Bilanz nun erfolgreich entrümpelt? Ist die Ära der Rechtsbrüche, der hochriskanten Spekulationen und Hybris in Stil und Geschäftsgebaren des Geldhauses vorbei? Ist die Deutsche Bank endlich auf Kurs, bis 2018 wieder eine "normale Bank" zu werden, wie es der Vorstandschef verspricht?

Dieter Hein glaubt nicht daran: "John Cryan ist fehl am Platz", sagt der Bankenexperte des Analysehauses Fairesearch. Für einen Neuanfang stehe er nicht, findet Hein. Vor seinem Wechsel an die Konzernspitze saß Cryan bereits im Aufsichtsrat der Bank.

Er und Aufsichtsratschef Paul Achleitner hätten die Strategie seines Vorgängers Anshu Jain mitgetragen, das Investmentbanking unverändert weiterzubetreiben. "Diese Strategie ist völlig gescheitert", sagt Hein.

Die Schuld daran trägt der spröde Brite höchstens zum Teil. Der Aufstieg des Investmentbankings, das der Bank heute hohe Verluste und Strafzahlungen beschert, verantworteten Cryans Vorgänger Josef Ackermann und Anshu Jain.

Universalbank in einem schrumpfenden Universum

Ein anderer Vorwurf trifft Cryan umso mehr: Noch immer ist unklar, ob die Deutsche Bank eine Universalbank in einem schrumpfenden Universum bleiben will oder sich von ganzen Geschäftsbereichen trennt, um in anderen zur Weltspitze gehören zu können. Es fehlt eine Strategie, welche Geschäfte die angepeilten zehn Prozent Eigenkapitalrendite einer "normalen" Deutsche Bank einfahren sollen.

Bisher kürzt der Chef überall ein bisschen:

  • Aktionäre müssen in diesem und im kommenden Jahr auf eine Gewinnausschüttung verzichten. Die Dividendenrendite von zwei bis drei Prozent war noch ein Argument, die Papiere der Bank zu halten.

  • Dass im Investmentbanking magere Zeiten angebrochen sind, sollen die Händler auch selbst zu spüren bekommen. Die Ausgaben für Boni sollen sinken.

  • Insgesamt 9000 Stellen sollen weltweit wegfallen, allein 4000 davon in Deutschland. Das Privatkundengeschäft trifft der Abbau am härtesten. Eine Milliarde Euro hat die Bank für Abfindungen und andere Kosten des Schrumpfprozesses eingeplant.

  • Die Postbank   soll teilweise an der Börse verkauft werden, zuletzt war von einem Drittel der Anteile die Rede.

Den letzten Punkt hält Analyst Hein für einen Fehler. "Die Konjunktur in Deutschland brummt, aber die Bank, die Deutsch im Namen trägt, hat ihr Geschäft hierzulande geschwächt." Mit der sogenannten "Entkonsolidierung" der Postbank gehe der Konzern eher weiter in die falsche Richtung. "Im Privatkundengeschäft kommt es auf Größe an, wegen der hohen Fixkosten", sagt Hein. Genau da schrumpfe die Deutsche Bank.

Der Deutschen Bank fehlt ein gewinnträchtiger Kernbereich

Andere europäische Banken haben sich längst fokussiert. Die UBS   etwa konzentriert sich auf die Verwaltung großer Vermögen, wo die Schweizer Weltmarktführer sind.

Ein solcher Kernbereich fehlt der Deutschen Bank bislang völlig. Als Gemischtwarenladen rennt sie im Investmentbanking den Amerikanern hinterher, im Werben um deutsche Privatkunden den Sparkassen und in der Vermögensverwaltung der UBS.

Ihr Investmentbanking hat die UBS drastisch eingedampft, was laut Hein einen angenehmen Nebeneffekt hatte: "Sie konnte durch ihre Abkehr vom Investmentbanking den Whistleblower in vielen Verfahren spielen", sagt Hein. Obwohl die Schweizer in viele Vergehen der Vorfinanzkrisenzeit tiefer verstrickt waren als die Deutsche Bank, kamen sie glimpflicher davon.

Davon sei die Deutsche Bank weit entfernt, fürchtet Hein. Anstehende Prozesse und Strafzahlungen würden nicht nur teuer für die Deutsche Bank, selbst einen Verlust der Banklizenz in den USA hält der Fairesearch-Experte für denkbar.

"Ein echter Kulturwandel ist nur möglich, wenn Vorstand und Aufsichtsrat ausgetauscht werden", sagt Hein. Eine deutliche Verkleinerung des Investmentbankings und die konsequente Abwicklung von nicht strategischer Vermögenswerte seien dringend notwendig, sagt Hein. "Und beten, dass die Bank das überlebt."

Zusammengefasst: Die Deutsche Bank hofft, mit ihrem Rekordverlust die Geister der Ära Ackermann/Jain hinter sich zu lassen. Doch dem neuen Chef John Cryan fehlt eine Strategie, das Geldhaus profitabel zu machen. Andere europäische Banken sind schon weiter.