Kann man als Sozialdemokrat noch mehr wollen? Diese Frage spaltet in diesen Tagen all jene SPDler, die sich nicht primär als abgeklärte Realpolitiker sehen. Die es trotz der ersten Regierungserfolge wie der Rente mit 63 und dem gesetzlichen Mindestlohn weiter befremdlich finden, mit zwei konservativen Schwesterparteien zu regieren. Wenige sind das nicht.

Über genau die Frage, wie viel Idealismus die Große Koalition verträgt, hat sich gerade der linke Flügel der SPD zerlegt. Rund 40 Sozialdemokraten sind mit einigem Tam-Tam aus dem Forum Demokratische Linke (DL21) ausgetreten, einer bis vor Kurzem durchaus mächtigen Vereinigung von SPD-Linken. Etwas weniger als 900 Mitglieder hat sie nach Angaben ihrer Vorsitzenden Hilde Mattheis jetzt noch.

Anlass für den personellen Exitus soll eine Pressemitteilung gewesen sein, in der Mattheis den vor der Sommerpause von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles gefundenen Mindestlohn-Kompromiss als verfaulten Apfel bezeichnete. Einer, der in der Hand der SPD verführerisch rot glänze, der aber böse Löcher (Ausnahmen) habe, wenn man ihn genau angucke. Das fanden Sozialdemokraten, die für Nahles arbeiten, aber auch die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht gar nicht lustig. Sie kehrten der DL21 den Rücken, Basis-Politiker folgten. Allein aus dem linken Landesverband Nordrhein-Westfalen waren es 30, darunter der ehemalige Juso-Chef Sascha Vogt und die NRW-Ministerin für Europa und Bundesangelegenheiten, Angelica Schwall-Düren. Die DL21 sei zu sehr innerparteiliche Opposition gewesen, schreiben die Nordrhein-Westfalen in ihrer Austrittserklärung. 

Persönliche Zerwürfnisse oder grundsätzlicher Konflikt?

Nun ist es so, dass die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Mattheis ohnehin umstritten ist, ihre Gegner bezeichnen sie als Einzelgängerin, die sich wenig sagen lässt und zu konfrontativ auftrete. Ohne sie hätte der Konflikt sicher nicht diese Dimension erreicht. Es ist aber auch so, dass es in der DL21 bei der letzten Wahl eine Kampfkandidatur um den Vorsitz gab, die Mattheis gewann. Angela Marquardt, eine Mitarbeiterin der Arbeitsministerin Nahles, verlor. Marquardt ist nun ausgetreten, gemeinsam mit Mitstreitern. In dem Konflikt spielen also definitiv persönliche Zerwürfnisse eine Rolle.         

Dennoch wirft er auch Schlaglicht auf eine grundsätzliche Frage. Wie viel Konformität muss sein? So lobt der prominente SPD-Linke Ralf Stegner derzeit vor allem die Regierungserfolge. Mindestlohn, Rente: Die Parteilinke sei doch so "erfolgreich wie nie", sagt er. Und: "Gerade in einer Großen Koalition ist es wichtig, dass der kleinere Regierungspartner geschlossen und selbstbewusst auftritt."

Macht euch die eigenen Erfolge nicht durch Miesepeterei kaputt, soll das heißen. Auch wenn Kritik natürlich immer erlaubt sei, Teamplay gehe vor, vor allem für die prozentual schwächere Partei: "Am Ende muss es heißen: Wir in der SPD – egal, ob linkes oder rechtes Spielfeld, wir schießen gemeinsam auf das gleiche Tor", sagt Stegner. Nur gemeinsam sei die SPD stark, das ist die Botschaft der pragmatischen Linke.

Stegner mag enttäuscht gewesen sein, dass er nicht wie erhofft Generalsekretär wurde. Doch in der Großen Koalition, für die er kurz nach der Bundestagswahl noch kritische Worte fand, ist er ganz Teamplayer. Stegner kritisiert die eigene Partei stets moderat, mit Parteichef Gabriel versteht er sich gut. Manch ein Parteifreund glaubt, dass Stegner und Gabriel über Bande spielen: Stegner kritisiert etwas, was er vorher mit dem SPD-Chef längst abgesprochen hat.