Ukraine leitet Gegenoffensive im Süden ein

Folgen des russischen Beschusses von Mykolajiw. [Twitter]

Ukrainische Truppen haben am Montag (29. August) eine lang erwartete Gegenoffensive zur Rückeroberung von Gebieten im Süden des Landes gestartet, während russische Streitkräfte Wohngebiete in der Hafenstadt Mykolajiw beschossen.

„Ich werde keine Details nennen, aber wir werden die Invasoren zur Grenze zurückdrängen“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache am Montag laut der ukrainischen Zeitung Kyiv Independent.

Moskau räumte derweil ein, dass die Ukraine eine neue Offensive gestartet habe, erklärte jedoch, diese sei gescheitert und die ukrainischen Streitkräfte hätten erhebliche Verluste erlitten.

Der neue Militärangriff der Ukraine erfolgte nach mehreren Wochen relativen Stillstands in einem Krieg, der Tausende von Menschen getötet, Millionen von Menschen vertrieben, Städte zerstört und eine weltweite Energie- und Nahrungsmittelkrise verursacht hat.

Der russische Beschuss von Mykolajiw tötete laut Augenzeugenberichten und Beamt:innen vor Ort mindestens zwei Menschen, verletzte etwa 24 weitere und zerstörte Häuser.

Der Konflikt hatte sich zuletzt weitgehend zu einem Abnutzungskrieg entwickelt, der sich vor allem im Süden und Osten des Landes abspielte und durch Artilleriebeschuss und Luftangriffe geprägt wurde.

In der Anfangsphase der Invasion hatte Russland weite Teile des ukrainischen Südens nahe der Schwarzmeerküste erobert.

Das ukrainische Südkommando teilte mit, seine Truppen hätten in mehreren Richtungen im Süden mit Offensivaktionen begonnen, unter anderem in der Region Cherson, die nördlich der von Russland annektierten Halbinsel Krim liegt.

Die Ukraine habe in der vergangenen Woche mehr als 10 Stellungen angegriffen und „den Feind zweifellos geschwächt“, sagte ein Sprecher, der keine Einzelheiten der Gegenoffensive nennen wollte. Die russischen Streitkräfte im Süden seien weiterhin „ziemlich stark.“

Die Ukraine setzt hochentwickelte, vom Westen gelieferte Waffen ein, um russische Munitionslager anzugreifen und die Nachschublinien zu stören.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die ukrainischen Truppen hätten einen Offensivversuch in den südlichen Regionen Mykolajiw und Cherson unternommen, dabei aber erhebliche Verluste erlitten, wie die Nachrichtenagentur RIA berichtete

„Der Offensivversuch des Feindes ist kläglich gescheitert“, hieß es.

Die Informationen zum Kampfgeschehen können nicht unabhängig überprüft werden.

In Mykolajiw, wo der russische Beschuss Wohngebiete traf, berichtete ein Reuters-Korrespondent, dass ein Privathaus direkt neben einer Schule getroffen worden sei, wobei eine Frau ums Leben gekommen sei.

Der Eigentümer des Hauses, Olexandr Shulga, sagte gegenüber Reuters, er habe sein ganzes Leben dort verbracht, und seine Frau – die sich in einem anderen Zimmer befand, als die Rakete einschlug – sei gestorben, als sie unter den Trümmern begraben wurde.

„Die Rakete schlug ein und die Schockwelle kam. Alles wurde zerstört“, sagte er.

Mykolajiw, eine Schiffbau- und Hafenstadt am südlichen Bug, direkt am Schwarzen Meer, ist während des gesamten Krieges von Russland schwer bombardiert worden, blieb aber in ukrainischer Hand.

Atomsicherheit

Die Welt bemüht sich derweil darum, eine Katastrophe im russisch besetzten Kernkraftwerk Saporischschja zu verhindern, dem größten Kernkraftwerk Europas. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Anlage beschossen zu haben.

Eine Mission der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu der Anlage, die im März von den russischen Streitkräften eingenommen wurde, aber immer noch von ukrainischem Personal betrieben wird, sollte am Montag in Kyjiw eintreffen und in den kommenden Tagen ihre Arbeit aufnehmen, so Angaben aus der Ukraine.

Unter der Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi werde die Mission die materiellen Schäden einschätzen, die Arbeitsbedingungen bewerten und die Sicherheitssysteme überprüfen, teilte die in Wien ansässige Organisation mit.

Außerdem würden „dringende Überwachungsmaßnahmen“ durchgeführt, was sich auf die Kontrolle von Kernmaterial beziehen dürfte.

Am Montag erklärten russische Beamt:innen, ein ukrainischer Raketenangriff habe ein Loch in das Dach eines Brennstofflagers in der Anlage geschlagen.

Laut russischen Nachrichtenagenturen erklärte das dortige Verteidigungsministerium, seine Streitkräfte hätten eine ukrainische Drohne abgeschossen, die versucht habe, den Komplex anzugreifen.

Das Ministerium erklärte, es habe keine ernsthaften Schäden gegeben und die Strahlungswerte seien normal.

Beide Berichte nicht unabhängig überprüft werden.

Der Kreml bezeichnete die IAEA-Mission als „notwendig“ und forderte die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die Ukraine auszuüben, um die militärischen Spannungen in der Anlage zu verringern.

Die Mission müsse ihre Arbeit in politisch neutraler Weise durchführen, so das russische Außenministerium.

Die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staaten und die Ukraine haben die Entmilitarisierung des Komplexes gefordert.

„Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine kontrollierte Abschaltung der Atomreaktoren in Saporischschja kurzfristig die sicherste und am wenigsten riskante Option wäre“, sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus.

Der Kreml schloss jedoch erneut eine Räumung des Standorts aus.

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