Gesundheitliche Risiken der Schiefergasförderung

US-Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Risiken vor allem in dicht besiedelten Gebieten noch kaum erforscht wurden

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Die USA dienen Europa ihr Schiefergas an, das eine größere Unabhängigkeit vom russischen Gas schaffen will und soll, aber dann natürlich von anderen abhängen wird. Die Lösung bestünde eigentlich im entschiedenen Ausbau erneuerbarer Energien, um vorwiegend im Land selbst Energie zu produzieren. Allerdings setzen nach Großbritannien, das sich an den amerikanischen Trend angehängt hat, nun auch andere EU-Mitgliedsstaaten auf eigene Ressourcen von Schiefergas, in Deutschland ist sich die Regierung noch unschlüssig, gefordert wird die Erschließung von Schiefergas in Deutschland von CDU/CSU-Politikern und Teilen der Wirtschaft.

Die Bedenken gegenüber Schiefergas sind allerdings groß, die Folgen für Umwelt und Gesundheit noch weitgehend unbekannt. Darauf verweisen auch Wissenschaftler vom Weill Cornell Medical College, New York, und den Physicians Scientists & Engineers for Healthy Energy an der University of California, Berkeley, Oakland, in einem Editorial für das Britisch Medical Journal. Obgleich Schiefergas großräumig und teils nahe an menschlichen Siedlungen gefördert wird, sei die Untersuchung der möglichen Folgen bislang zu kurz gekommen. Bestenfalls versuche man, technische Entwicklungen zur Risikovermeidung voranzutreiben. "Der Optimismus, dass unfallsichere Ingenieurslösungen für eine sichere Schiefergasförderung sorgen können", so die Autoren, "stammt eher von einem Vermarktungstriumph als von Nachweisen."

So sei im kürzlich vorgestellten Berichtsentwurf Public Health England die wissenschaftliche Literatur über die Gesundheitsrisiken der Schiefergasförderung zwar genau geprüft worden und seien die Probleme mit der Luft- und Wasserqualität und die vielen bestehenden Lücken im Hinblick auf mögliche Risiken richtig dargestellt worden, aber man habe falsche Schlussfolgerungen gezogen. Aufgrund der unterschiedlichen Geologie und Regulierungen kommen die Autoren nämlich zum - politisch gewünschten - Ergebnis, dass viele der in den USA auftretenden Umwelt- und Gesundheitsprobleme in Großbritannien nicht auftreten würden, weswegen es sich um eine Fördertechnik mit geringem Risiko handele, wenn sie richtig reguliert und eingesetzt wird. Richtiger wäre gewesen zu sagen, viele gesundheitliche Risiken blieben unbestimmt, weswegen weitere Forschung notwendig sei.

Überdies liegen manche Probleme nicht an der Art der Regulierungen, sondern an der Technik, beispielsweise beim Einfassen der Quelle, bei Brüchen des Zements oder dem Austritt von Abwasser. Die Probleme würden auch bei anderen Regulierungen in Großbritannien auftreten können. In Großbritannien würde die Schiefergasförderung oft in dicht besiedelten Gebieten erfolgen müssen, während sie in den USA meist in kaum bewohnten ländlichen Gebieten geschieht.

Studien würden darauf hinweisen, dass Gesundheitsrisiken mit zunehmender Nähe zum Förderort anwachsen. Es gebe auch Hinweise darauf, dass es in der Nähe zu Förderanlagen und bei einer hohen Dichte von Förderanlagen zu einer höheren Rate an Fehlgeburten kommt (Lisa M. McKenzie et al.: Birth Outcomes and Maternal Residential Proximity to Natural Gas Development in Rural Colorado, in: Enviromental Health Perspectives 122:412–417, April 2014).

So hätten Studien beispielsweise in Colorado gezeigt, dass die Menschen, je näher sie an Förderanlagen leben, desto stärker einer Luftverschmutzung u.a. durch Benzene, Toluene, Xylene, Ozon und Dieselfeinstaub ausgesetzt sind. Mangelhafter Umgang mit Abwasser ist nach anderen Studien verbunden mit einer höheren Belastung des Oberflächenwassers mit Chemikalien aus den eingepressten Flüssigkeiten und mit natürlich vorkommenden Substanzen wie Radium-226 oder Arsen. Aquifere in der Nähe von Förderanlagen können eine höhere Methankonzentration enthalten.

Gefordert werden "strenge, quantitative epidemiologische Untersuchungen, um die Risiken für die Gesundheit bewerten zu können". Daten würden jetzt gerade erst beginnen, verfügbar zu sein. Wie Untersuchungen der Schiefergasförderung in den USA immer ergeben hätten, seien Sicherheitsbehauptungen kein Ersatz für einen angemessenen Schutz.