Panorama

Spektakulärer Überfall bei voller Fahrt Polizei jagt Autobahn-Piraten

Neue Bedrohung im Güterverkehr: Wenn es Nacht wird auf Deutschlands Autobahnen, schlagen die Gangster zu.

Neue Bedrohung im Güterverkehr: Wenn es Nacht wird auf Deutschlands Autobahnen, schlagen die Gangster zu.

(Foto: dpa)

Die Ermittler sprechen tatsächlich von einer "Apple-Ernte". Mitten in der Nacht sollen bislang unbekannte Täter einen fahrenden Lkw ausgeraubt haben. Ihre Beute: iPads und iPhones im Wert von 70.000 Euro.

Ein filmreifer Fall von Ladungsdiebstahl alarmiert die Beamten der deutschen Autobahnpolizei: Mitten in Deutschland soll Gangstern auf der Autobahn erneut ein dreister und obendrein lebensgefährlicher Beutezug wie aus einem Actionfilm gelungen sein.

Vermutlich bei voller Fahrt hatten Diebe teure iPhones und iPads von einem Lastwagen gestohlen. Unterwegs auf der Strecke von den Niederlanden nach Tschechien, habe der Fahrer eines Sattelzugs in den frühen Morgenstunden während einer Pause in Kassel festgestellt, dass Teile seiner Ladung verschwunden waren, heißt es in der Schilderung des mutmaßlichen Tathergangs. Der 46-jährige Fahrer meldete sich umgehend bei der Polizei.

Wie herbei eilenden Beamten des Polizeireviers Kassel-Ost und die Mitarbeiter der Spurensicherung feststellten, hatten die Täter das Sicherungsschloss der Plane offenbar mit einem Bolzenschneider geknackt und von insgesamt sieben geladenen Paletten mit Elektronik-Artikel hochwertige Apple-Produkte im Gesamtwert von rund 70.000 Euro gestohlen.

Die Beute umfasst laut Polizeiangaben 125 iPads, vier iPad mini, "vermutlich" 30 iPhones und zwei Tastaturen des kalifornischen Kultkonzerns. Bei den weiteren Ermittlungen verdichtete sich der Verdacht, dass die Ladungsdiebe offenbar während der Fahrt auf der Autobahn unbemerkt zugeschlagen hatten.

Derzeit deute alles darauf hin, dass sich die Täter mit einem lebensgefährlichen Fahrmanöver an den durch die Nacht brausenden Lastzug angenähert hatten, erklärte die Polizei. Anschließend müssen die Autobahnpiraten den Lkw regelrecht geentert haben.

Rendezvouz mit rasenden Dieben

Vorfälle dieser Art waren bis vor kurzem noch höchstens aus fragwürdigen Action-Filmen bekannt. Doch mittlerweile scheinen sich die Taten nach diesem Muster zu häufen. Im vergangenen Frühjahr hatte eine Serie von 50 ähnlichen Fällen die Behörden in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Die Verbrechen gehen dabei stets nach der selben Blaupause vor: Die Täter setzten sich häufig mit "größeren SUV-Fahrzeugen in den ganz verkehrsarmen Zeiten mitten in der Nacht direkt hinter den Truck", heißt es in der Mitteilung der Kasseler Polizei. Während der Fahrer des Tatfahrzeugs sich an die Geschwindigkeit seines Opfers anpasst, klettern ein oder mehrere Täter aus dem Seitenfenster oder durch das Schiebedach und über die Motorhaube des Verfolgerfahrzeugs und gelangen so an die Rückfront des Lkw.

Dort werde dann die Laderaumtür aufgebrochen, das Planenschloss zerstört oder die Plane aufgeschnitten, erklärten die Ermittler. "Noch während der Fahrt werden Paletten geknackt und das zumeist handliche aber teure Diebesgut, in der Regel hochwertige Elektronik, von Hand zu Hand nach hinten über die Motorhaube in den SUV weitergegeben." Die Aktion dauere in der Regel nur wenige Minuten und sei vom Lkw-Fahrer leicht zu übersehen, da die Täter im nicht einsehbaren Bereich direkt hinter dem Heck des Lasters blieben. Über die Außenspiegeln seien sie dort nicht erkennbar. Die Täter gehen dabei ein hohes Risiko ein.

Wenn der voraus fahrende Lkw plötzlich bremsen muss oder eine Bodenwelle das Verfolgerfahrzeug ins Wanken bringt, kann das "Enter-Kommando" nur zu leicht den Halt verlieren. Ein Sturz auf die nächtliche Autobahn wäre dann wohl nicht zu vermeiden. Bei der im Lkw-Verkehr auf deutschen Autobahnen üblichen Geschwindigkeit von 80 bis 85 Kilometern in der Stunde erscheinen die Chancen, den Aufprall auf den Asphalt bewegungsfähig zu überleben, gering. Wer liegen bleibt, der droht vom nachfolgenden Verkehr überrollt zu werden.

Gefahr für nächtliche Warenströme?

Zur Vernehmung des Fahrers sicherten sich die deutschen Beamten Unterstützung einer Dolmetscherin. Die Angaben des Truckers und die Auswertung des Fahrtenschreibers brachte zunächst Klarheit über die nächtliche Fahrtstrecke. Demnach war der Fahrer des Lastwagen am Vorabend um 22.30 Uhr mit insgesamt sieben Paletten Elektronik-Artikeln auf der Ladefläche von Waalwijk mit seinem Truck in Richtung Deutschland gestartet. Die Ladung bestand hauptsächlich aus Produkten des Herstellers Apple.

Einen Diebstahl im abgestellten Zustand schließt die Polizei aus. Ein Tankstopp und eine erste Ruhepause seien später in der Nacht um 1.40 Uhr an der Tank- und Rastanlage Lichtendorf-Süd bei Schwerte erfolgt. Während der Pause des Fahrers sei der Lkw im erleuchteten und videoüberwachten Bereich der Zapfsäulen abgestellt gewesen.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge gibt es keine Erkenntnisse, dass ein Angriff auf die wertvolle Fracht bereits dort gestartet oder durchgeführt wurde. Nach einer zweistündigen Pause setzte der Trucker seine Fahrt über die A 44 in Richtung Kassel fort. Ein weiterer, allerdings nur kurzer Stopp für eine Toilettenpause folgte rund 30 Kilometer vor Kassel.

Mit diesem Fall von Ladungsdiebstahl stehen die Behörden vor einer schweren Aufgabe: Da der Tatort auch im aktuellen Fall nicht bestimmbar ist, heißt es bei der Polizei in Kassel, werde es für die Ermittler wohl schwierig, mögliche Zeugen für die Tat zu finden.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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