Streit im Südchinesischen Meer : Keine Angst vor Ärger
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Komplizierte Lage: Gen Nakatani, Ashton Carter und Han Mi Koo Bild: AP
Die Vereinigten Staaten warnen China vor dem Bau einer neuen „Großen Mauer“. Sollten in Asien weitere Riffe aufgeschüttet werden, würde Amerika handeln.
Unter den zahlreichen Konfliktherden auf der Welt gehört der Gebietsstreit im Südchinesischen Meer zu den potentiell gefährlichsten. Denn in dem Meeresgebiet im westlichen Teil des Pazifiks stehen sich zwei der militärisch stärksten Mächte gegenüber. Die Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China in Asien bestimmte deshalb auch die Diskussionen am vergangenen Wochenende in Singapur. Dort trafen sich Minister, Generäle und Wissenschaftler zum 15. Shangri-La-Dialog, der wichtigsten asiatischen Sicherheitskonferenz.
Das Treffen, das jedes Jahr Anfang Juni in der Wirtschaftsmetropole stattfindet, wurde zur Bühne für einen rhetorischen Schlagabtausch zwischen den Delegationen aus Amerika und China. Pentagon-Chef Ashton Carter sprach diesmal sogar fast ausschließlich über die Sicherheitslage im asiatisch-pazifischen Raum. Den Nahen Osten, den „Islamischen Staat“ und auch Russland erwähnte er nur in einem Nebensatz. Stattdessen ging Carter auf das „Sicherheitsnetzwerk“ ein, mit dem die Amerikaner den Frieden, die Ordnung und ihre Vorherrschaft in Asien sichern wollen.
Eine „Große Mauer der Selbst-Isolation“ aufbauen
Damit meinte er die Bemühungen Amerikas, seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu einigen Ländern der Region zu vertiefen: zu Japan, Australien, den Philippinen, Indien, Singapur und zunehmend auch dem früheren Kriegsgegner Vietnam. Laut Carter fußt dieses Netzwerk auf gemeinsamen Prinzipien. Daneben nannte der Verteidigungsminister indirekt aber auch ein weiteres Charakteristikum: die Rolle der Vereinigten Staaten als primären Garant der regionalen Sicherheit und führende Macht innerhalb des Netzwerkes auch für die kommenden Jahrzehnte.
Dass für China darin kein Platz ist, versteht sich fast von selbst. Nach Aussage Carters ist dies aber die Konsequenz aus dem chinesischen Verhalten selbst und nicht einer Ausgrenzungstaktik der Amerikaner. „Mit seinen Aktivitäten im Südchinesischen Meer hat China sich in einer Zeit isoliert, in der die gesamte Region zu einem Netzwerk zusammenrückt“, sagte Carter. Wenn China so weiter mache, werde es um sich eine „Große Mauer der Selbst-Isolation“ aufbauen, warnte der Minister.
Konkret ging Carter darauf ein, dass China in dem Seegebiet Riffe mit Sand aufgeschüttet und militärisch verwendbare Einrichtungen aufgebaut hatte. Er warnte, dass Amerika weitere Aufschüttungen dieser Art nicht hinnehmen werde und drohte mit Konsequenzen, die er nicht weiter erläuterte. „Dies würde dazu führen, dass die Vereinigten Staaten und andere Staaten in der Region handeln“, sagte Carter. Er bezeichnete die Aktivitäten als „Provokationen“, die die Stabilität der Region gefährdeten. Nahezu gleichzeitig hatte auch der Außenminister John Kerry während eines Mongolei-Besuchs China davor gewarnt, im Südchinesischen Meer wie zuvor schon im Ostchinesischen Meer eine Luftverteidigungszone zu deklarieren.
Brunei, China, Malaysia, die Philippinen, Taiwan und Vietnam
Amerika sieht sich den Worten Carters nach zu urteilen auch auf lange Sicht weiter als die Ordnungsmacht in der Region Asien-Pazifik. Doch das aufstrebende China will diesen Status quo nicht akzeptieren. „Wir machen keinen Ärger, aber wir haben auch keine Angst vor Ärger“, sagte der Leiter der chinesischen Delegation in Singapur, der Admiral Sun Jianguo, in seiner Rede am Sonntag. Er kritisierte die „Mentalität des Kalten Krieges“, von der sich die Länder der Region nicht beeinflussen lassen sollten.
Der Schlagabtausch zwischen den beiden Seiten wurde dieses Mal mit besonderem Interesse verfolgt. Denn der Konflikt könnte sich bald weiter zuspitzen, wenn wie erwartet ein Schiedsgericht der Vereinten Nationen in Den Haag sein Urteil in einem Verfahren zu dem Thema sprechen wird. Die Philippinen hatten das Gericht unter anderem gebeten, die rechtliche Basis für die chinesischen Ansprüche in dem Seegebiet zu klären. China hat zwar schon erklärt, dass es das Verfahren nicht akzeptiert. Allerdings könnte ein negatives Urteil für die Chinesen nicht nur peinlich werden, sondern auch eine Signalwirkung für weitere Klagen entfalten. Im Südchinesischen Meer stellen Brunei, China, Malaysia, die Philippinen, Taiwan und Vietnam Gebietsansprüche, die sich teilweise überlappen. Die Vereinigten Staaten erheben keine Ansprüche und sind ihren eigenen Angaben zufolge in der Hoheitsfrage neutral. Sie bestehen aber auf das Recht zur freien Navigation und des Überflugs und lassen regelmäßig Kriegsschiffe an den Riffen vorbei fahren und schicken Aufklärungsflüge über das Gebiet.