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Innenminister als Zeuge im NSA-Ausschuss De Maizière verteidigt sich mit Groll und großen Worten

Die Verantwortung liegt "zu hundert Prozent" beim BND: Innenminister Thomas de Maizière hat sich stundenlang in der Geheimdienst-Affäre verteidigt - und die Schuld komplett von sich gewiesen. Als Zeuge trat er ungewöhnlich angefasst auf.
Innenminister de Maizière: Das Kanzleramt ist frei von Verantwortung - das ist sein Fazit der Spähaffäre

Innenminister de Maizière: Das Kanzleramt ist frei von Verantwortung - das ist sein Fazit der Spähaffäre

Foto: Christian-Ditsch.De/ dpa

Der Innenminister hat eine interessante Meinung über Geheimdienste. "Sie sind Jäger und Sammler. Und sie werden nicht gern beim Jagen und Sammeln gestört." Das sagt Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestag. Am Abend wurde Angela Merkels wichtigster Mann bis in die Nacht hinein als Zeuge befragt.

Nach vier Stunden wird er den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) zum ersten Mal öffentlich klar beschuldigen. So klar, wie es noch kein Spitzenpolitiker getan hat. Bis dahin ist es ein langer Weg aus Fragen, Antworten und Meinungsverschiedenheiten.

Jahrelang war de Maizière für die Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes verantwortlich, als Kanzleramtschef von 2005 bis 2009. In diesem Zeitraum liefen die problematischen Ausspähungen der Amerikaner mit Hilfe der vom BND abgezapften Massendaten.

Es soll auch Warnungen an das Kanzleramt gegeben haben. Deutliche Warnungen, dass die USA es übertreiben würden. Dass sie deutsche und europäische Ziele ausforschen wollten, Rüstungskonzerne etwa. Konsequenzen hatte das keine.

Warum nicht?

De Maizière bleibt dabei: Vom Chaos um übergriffige US-Spionage, von massenhaft faulen Suchbegriffen, will er nichts gewusst haben.

  • Die Schuld sieht er dabei ausschließlich beim BND: "Der Kernfehler liegt zu hundert Prozent im mangelnden Meldeverhalten des BND", sagt de Maizière. Der Geheimdienst habe wichtige Erkenntnisse nicht weitergeleitet, das ist sein Fazit der Spähaffäre.
  • Er selbst will deshalb nichts von fragwürdigen Spähzielen erfahren haben: "Als Chef des Bundeskanzleramts habe ich keine Erkenntnisse über die Selektoren erlangt." Auch gab es "keine Hinweise an mich, dass die NSA die Selektoren EADS, Eurocopter oder französische Behörden verwendet haben".
  • Wirtschaftsspionage soll kein Thema gewesen sein: Erkenntnisse dazu hatte er nicht. Auch sei das Beobachten von Unternehmen nicht automatisch Wirtschaftsspionage, gibt er zu Bedenken. Es könne dabei zum Beispiel auch um Waffenhandel gehen.
  • Deutschland ist auf die USA angewiesen: "Dass wir in der Vergangenheit keine schweren Anschläge zu verzeichnen hatten, haben wir Glück, deutschen Behörden und US-Behörden zu verdanken. Niemand sollte diese zentrale Zusammenarbeit in Frage stellen".
  • Er kritisiert mögliche Verstöße: "Ich bin ein großer Freund der Amerikaner", betonte der CDU-Politiker. Dennoch habe er "berechtigte Zweifel", ob die NSA immer angemessen arbeite. Geheimdienste müssten Grenzen respektieren, das gelte ausdrücklich auch für die USA.
  • Dass sich der Minister umfassend verteidigen würde, war abzusehen. Doch de Maizière trat dabei stellenweise ungewohnt angefasst auf. So kritisierte er das Veröffentlichen sensibler Spionage-Details scharf. Das passiere "aus Sensationslust, Geilheit, Aufmerksamkeit", sagt der CDU-Minister. "Fahrlässig" sei das, ein Sicherheitsrisiko für jeden Bürger.

    Scharmützel mit Ströbele

    Auch kommt es zu einem kleinen Wortgefecht mit dem Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Es geht um vertrauliche Aktenvermerke, die darauf schließen lassen, dass de Maizière das Ausmaß der US-Spionage klarer gewesen sein müsste, als er zugeben will.

    Ströbele konfrontiert den Minister damit, nicht zum ersten Mal. "Das finde ich unredlich", sagt de Maizière. Denn speziell von Selektoren stünde da gar nichts drin. Ströbele stimmt teilweise zu. "Damit ist Ihr Vorwurf zusammengebrochen." - "Nein!" - "Doch!". Man drehte sich im Kreis.

    Aber wie plausibel sind de Maizières Angaben? Nach all dem, was man weiß, war der BND mit der Arbeit mit Selektoren sehr vertraut. Jahrelang lieferten die Amerikaner ihre Spähwünsche, massenhaft Mailadressen oder Handynummern. Sporadisch wurden sie in der BND-Zentrale geprüft und in die eigenen Rechner eingespeist.

    All das hält de Maizière für "operative Einzelheiten" - in die er aus seiner Sicht gar nicht vollständig eingebunden gewesen sein musste. Doch die Frage drängt sich auf, ob nicht auch das Kanzleramt genauer hätte kontrollieren und nachfragen hätte müssen.

    Genau das erschwert die Aufklärung: Wem will man einen Vorwurf machen, wenn sich keiner zuständig fühlt? Das Kanzleramt sieht die Bringschuld beim BND, und umgekehrt. Das bringt die Aufklärung der Spähaffäre nicht weiter, ist aber komfortabel für alle Beteiligten.

    Nur eines wird am Ende bestätigt: Das Verhältnis zu den Amerikanern wird für lange Zeit ein anderes sein. Ein paar hundert Meter weiter steht die US-Botschaft. Es gab den Verdacht, dass von dort aus das Regierungsviertel abgehört wurde.

    Als der Verdacht im Ausschuss angesprochen wird, ob das sein könne, sagt de Maiziere einen weiteren bemerkenswerten Satz: "Die Frage stelle ich mir auch."