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Gauss-Brille: Blau wirkende Gläser, bessere Sicht?

Foto: gausseyewear.com

Kickstarter-Hype 165.000 Euro - für eine Brille?!

Die Firma Gauss sammelt Geld für eine Brille mit selbsttönenden Gläsern. 20.000 Euro wollten die Brillenbauer einsammeln, jetzt ist schon das Achtfache zusammengekommen. Dabei ist der Nutzen des Accessoires umstritten.
Von Richard Diesing

Manchmal überrascht das Internet. Etwa, wenn gefühlt halb Twitter den Imagefilm einer Toilettenkette diskutiert oder man bei Amazon auf einen Porno mit dem Microsoft-Office-Assistenten Karl Klammer stößt. Oder, wenn sich für ein auf den ersten Blick unspektakuläres Produkt in wenigen Tagen deutlich mehr Unterstützer finden, als für dessen Produktion nötig sind.

Passiert ist letzteres gerade bei einer Brille, deren am stärksten beworbener Nutzen umstritten ist: Das Accessoire der Firma Gauss soll mit seinen selbsttönenden Gläsern nicht nur gegen Sonnenstrahlen, sondern auch gegen das blaue Licht des heimischen Computerbildschirms schützen. Der Projektname auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter , wo das Geld gesammelt wird, verspricht nicht weniger als die Neudefinition des Schutzes der Augen fürs digitale Zeitalter.

Bislang hat das Crowdfunding Gauss rund 165.000 Euro an Spendenzusagen eingebracht, was angesichts des Mindestziels von 20.000 Euro ein großer Erfolg ist. Jay Uhdinger, Mitgründer bei Gauss, hat das erwartet: "Wir wussten von Anfang an, dass unser Produkt spitze ist. Die einzige Befürchtung war, dass wir das den Leuten nicht gut genug vermitteln könnten."

Oft Kopfschmerzen vor dem Computer

Uhdinger ist Entwickler. Er beschäftigt sich unter anderem mit der virtuellen Realität und verbringt daher viel Zeit vor dem Rechner: "Das ewige Vor-dem-Computer-Sitzen hat mir oft Kopfschmerzen und tränende Auge beschert." Er habe sich daher mit dem anderen Mitgründer von Gauss, Peter Marx, zusammengetan, um dem entgegenzuwirken. "Die nächsten paar Monate hat Peter damit verbracht, an einer Beschichtung zu arbeiten, die optimal für unseren modernen Alltag ist."

Wird die Brille draußen getragen, sieht es aus, als wären ihre Gläser blau

Wird die Brille draußen getragen, sieht es aus, als wären ihre Gläser blau

Foto: gausseyewear.com

Doch wovor schützt die Brille überhaupt? Was gefährdet unsere Augen im digitalen Zeitalter?

Zuerst einmal steht das blaue Licht, zum Beispiel von Computerbildschirmen, Tablets oder Smartphones, im Verdacht, unseren Schlafrhythmus zu stören. Am Tag, so Uhdinger, ist das Auge durch das Sonnenlicht einem großen Anteil kurzwelliger blauer Lichtstrahlen ausgesetzt. "Geht es auf den Abend zu, sinkt der blaue Anteil. Im Körper steigt der Melatoninspiegel, und man wird müde. Einige Studien fanden Hinweise, dass zu viel blaues Licht - etwa durch LED-Beleuchtung in Monitoren - den Schlafzyklus beeinflussen kann."

Uhdinger zählt noch ein weiteres angebliches Risiko des blauen Lichts auf: "Das blaue Licht von Monitoren und anderen künstlichen Lichtquellen kann altersbedingte Makuladegeneration fördern." Altersbedingte Makuladegeneration ist die häufigste Ursache für Erblindung im Erwachsenenalter.

Ein Experte ist skeptisch

Horst Helbig, Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Regensburg, bezweifelt, dass künstliches Licht sich derart negativ auf das menschliche Auge auswirkt: "Richtig ist, dass blaues Licht bei Ratten in kurzer Zeit zu einer Netzhautdegeneration führt. Das ist aber in keiner Weise auf den Menschen übertragbar."

Ob intensives Licht ein Risikofaktor dafür sei, nach dem 75. Lebensjahr vermehrt an altersbedingter Makuladegeneration zu erkranken, sei wissenschaftlich umstritten, so Helbig. "Das blaue Licht eines Computerbildschirms ist auch nichts anderes als blaues Licht bei Tageslicht. Die Augen sind zum Sehen da, und Sehen schadet dem Auge nicht".

Vor sehr hellem Licht solle das Auge mit einer guten Sonnenbrille geschützt werden, rät Helbig. "Wenn wir an mögliche Risiken für die Makula (die Stelle schärfsten Sehens und des Farbsehens in der Netzhaut - d. Red.) denken, sprechen wir von Licht-Expositionen, wie sie Fischer ein Leben lang auf dem Meer abbekommen."

Jay Uhdinger besteht darauf, dass seine Brillen nicht nur gegen blaues Licht schützten, sondern noch viele weitere Vorteile hätten. So sollen die Brillen zu den leichtesten auf dem Markt gehören und einen besseren UV-Schutz als normale Sonnenbrillen bieten. Zudem seien sie leichter zu pflegen, sagt der 34-Jährige.

Wer sich per Kickstarter noch eine Gauss-Brille sichern will, muss 119 Euro investieren. Insgesamt werden sechs Varianten der Brille angeboten.