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Nordderby HSV vs. Werder: Doppelter Lasogga, unglücklicher Pizarro

Foto: Axel Heimken/ dpa

Werder-Niederlage in Hamburg "...und wir schauen uns blöd an"

Der Hamburger SV hat den Klassenerhalt nach dem 2:1 im Nordderby fast sicher. Die Bremer versuchen, sich ihre Situation schönzureden - doch sie müssen sich wohl auf die Relegation einstellen.

Es gibt vermutlich keinen anderen Bundesligatrainer, der so traurig gucken kann wie Viktor Skripnik von Werder Bremen . Nach der 1:2-Niederlage beim Hamburger SV liefen auf den Fernsehschirmen im Mediensaal des Volksparkstadions noch einmal die entscheidenden Szenen der Partie.

Pierre-Michel Lasogga, wie er den Ball mit dem Fuß über die Linie drückt.

Pierre-Michel Lasogga, wie er den Ball ins Tor köpft.

Claudio Pizarro, wie er einen Elfmeter so schwach schießt, dass Hamburgs Torwart Jaroslav Drobny den Ball sogar festhält.

Skripnik saß vorn auf der Bühne, stützte den Kopf mit der Hand ab und schaute auf die Fernsehschirme. Seine Augen wirkten glasig, sein Blick war leer. Skripnik war eine bemitleidenswerte Erscheinung in diesem Moment.

Das Spiel in Hamburg war insgesamt deprimierend gewesen aus Bremer Sicht. Die Mannschaft hatte Mut geschöpft aus dem Sieg gegen Wolfsburg in der Vorwoche und dem passablen Auftritt beim Pokal-Aus in München. Gegen den HSV wollten sich die Bremer Luft verschaffen im Abstiegskampf. Sie wollten den Relegationsplatz verlassen, zumindest vorübergehend, und ihren zarten Aufwärtstrend fortsetzen.

Werder-Trainer Viktor Skripnik

Werder-Trainer Viktor Skripnik

Foto: Christian Charisius/ dpa

Doch daraus wurde nichts, weil die Mannschaft zu lange brauchte, um ins Spiel zu kommen. Rund eine Stunde lang traten die Bremer verunsichert auf, brachte ihre Pässe nicht ins Ziel und waren in der Abwehr immer wieder überfordert.

Schon zur Pause war die Partie so gut wie entschieden durch Lasoggas Doppelpack in der fünften und 32. Minute. "Der HSV macht die Tore, und wir schauen uns blöd an", klagte Werders Kapitän Clemens Fritz.

Nach dem Anschlusstreffer von Anthony Ujah in der 65. Minute gerieten die Hamburger ins Schwimmen, doch der leidenschaftliche Schlussakt der Bremer wurde nicht belohnt. So sieht es immer mehr danach aus, dass sie in dieser Saison in die Relegation müssen.

Panik herrscht deshalb allerdings nicht bei Werder. Trainer Skripnik sitze weiter fest im Sattel, sagte Marco Bode, der Chef des Aufsichtsrats. Manager Thomas Eichin gab an, dass sich die Ausgangslage durch die Niederlage in Hamburg nicht geändert habe. "Der Abstiegskampf entscheidet sich nicht heute, sondern am letzten Spieltag", sagte er. Und überhaupt haben die Bremer ihr Schicksal doch selbst in der Hand, ihrer Meinung nach zumindest.

Spieler und Verantwortliche verwiesen auf das Restprogramm und darauf, dass es in den letzten drei Spielen noch gegen zwei direkte Konkurrenten geht, und das im eigenen Stadion. In neun Tagen ist der VfB Stuttgart im historischen ersten regulären Montagsspiel der Bundesliga zu Gast im Weserstadion, am letzten Spieltag kommt Eintracht Frankfurt.

"Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie nicht auseinanderbricht und nach Rückschlägen wieder aufsteht. Das ist ein gutes Zeichen", lautete Bodes Erkenntnis aus der Niederlage beim HSV. Die Bremer gaben sich Mühe, das Spiel und ihre Situation schönzureden. Schlechte Stimmung hat im Abstiegskampf noch niemandem genützt.

"Man kann sagen, dass ich wieder da bin"

Das wissen auch die Hamburger, die in der vergangenen Saison vor allem deshalb die Klasse gehalten haben, weil der sechs Spieltage vor dem Ende der Saison installierte Trainer Bruno Labbadia die Mannschaft mit Leidenschaft und frischen Emotionen aufgepumpt hat. In dieser Saison muss der HSV wohl nicht bis zum Schluss zittern. Die dritte Relegation nacheinander dürfte dem ewigen Bundesligisten erspart bleiben nach dem Derbysieg, der zwei Hauptdarsteller hatte aus Sicht der Hamburger.

Hauptdarsteller Nummer eins war Lasogga, der zum ersten Mal seit Anfang März von Beginn an spielen durfte und seine ersten Tore überhaupt in diesem Jahr schoss. "Man kann sagen, dass ich wieder da bin", freute sich Lasogga, als er nach der Partie im Unterhemd vor die Presse trat, die rechte Schulter bandagiert. Sie hatte ihm immer wieder Probleme gemacht in dieser Saison, er verlor Form und Selbstvertrauen. Zuletzt waren die Sturmkonkurrenten Artjoms Rudnevs und Sven Schipplock an Lasogga vorbeigezogen. Gegen Bremen gelang die Auferstehung des Torjägers.

Hauptdarsteller Nummer zwei war Drobny, der den rotgesperrten Stammtorwart René Adler vertrat und ein herausragendes Spiel machte, nicht nur wegen des gehaltenen Elfmeters gegen Pizarro in der 56. Minute. Trainer Labbadia sah sich wieder einmal in der These bestätigt, dass die Hamburger einen Ersatzmann im Tor haben, auf den stets Verlass ist. Nach dem Spiel bekam Drobny Sonderapplaus von den Zuschauern im Volksparkstadion.

In Euphorie wollten die Hamburger trotz des fast vollbrachten Klassenerhalts aber nicht ausbrechen. "Wer jetzt denkt, dass alles vorbei ist, ist fehl am Platz", mahnte Mittelfeldspieler Lewis Holtby. Der HSV hat zu viele Dramen erlebt in den vergangenen Jahren, um sich seiner Sache sicher zu sein.