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Elon Musk: Der Multivisionär

Foto: © Brendan McDermid / Reuters/ REUTERS

Tesla-Chef Elon Musk Der Superheld von Bel Air

Dotcom-Millionär Elon Musk möchte mit Tesla Motors die Pkw-Branche revolutionieren, Autobosse umwerben ihn. Nebenbei bastelt er an einer Mars-Rakete. Verzettelt sich das Multitalent bei seinen zahlreichen Mega-Projekten? Treffen mit einem Getriebenen.

Tesla

Elon Musk müsste entspannt und erfrischt sein, er kommt direkt aus den Flitterwochen. Stattdessen sieht er aus wie ein Boxer kurz vor dem K.o. Der Hochzeitsurlaub mit Schauspielerin Talulah Riley dauerte nur drei Tage, es ist einfach zu viel zu tun. Nun ist Musk auf einer Automesse in Paris, am Abend muss er mit seinem Kumpel Leonardo DiCaprio ein Event bei Louis Vuitton absolvieren. "Gleich kommt der König, zur Foto-Opportunity", sagt sein Adlatus und zeigt auf einen knallorangenen -Elektrosportwagen. "Der von Holland."

Daimler

Akio Toyoda

Der 39-jährige Musk ist derzeit der Star der globalen Autobranche. Seine winzige Firma Tesla Motors hat das Elektroauto cool gemacht. Weitaus größere, weniger hippe Hersteller bandeln nun mit dem Amerikaner an, zum Beispiel oder Toyota. Kaum 800 Fahrzeuge liefert das kalifornische Start-up pro Jahr aus - dennoch hat sein Chef einer ganzen Industrie den Kopf verdreht. "Musk-chan", entfuhr es dem ansonsten eher spröden Toyota-Chef unlängst auf einer Pressekonferenz, "ich liebe ihn".

Irgendwo zwischen Arc de Triomphe und Trocadero soll Musk gleich einen Tesla-Shop eröffnen. Wenn man nicht wüsste, dass er der Stargast ist, übersähe man ihn. Zusammengekauert hockt er auf einer Stufe, liest E-Mails auf seinem iPhone. Er hat eigentlich keine Lust, das rote Band zu zerschneiden und - noch schlimmer - eine Rede zu halten. Lieber würde er über den neuesten Plänen für Falcon 9 brüten. Das ist kein Elektroauto, sondern eine Rakete, die von Musks zweiter Firma Space X gebaut wird. Falcon soll Satelliten in den Orbit transportieren, die Nachfolgemodelle will der Kalifornier zum Mars schicken, irgendwann. Musk ist auch bei Space X CEO, außerdem Technikchef.

Erst Dotcom-Millionär, dann Autopionier

Mark Zuckerberg

Der gebürtige Südafrikaner ist einer dieser etwas unheimlichen Erfindertypen, Facebook-Gründer nicht unähnlich. Mit zehn brachte sich Musk Programmieren bei, mit zwölf verkaufte er sein erstes Computerspiel. Später studierte er Physik und BWL, gründete die Internetfirma Paypal, verkaufte sie an Ebay. Schon mit 30 lag sein Privatvermögen jenseits von hundert Millionen Dollar.

Internetfirmen gründen, befindet Musk rückblickend, das sei ziemlich einfach. Autos zu bauen hingegen - das sei ziemlich schwierig. Kapitalintensives Produkt, sehr komplex, viele Wettbewerber. "Es ist fast unmöglich, damit Geld zu verdienen."

2004 investierte Musk viele Millionen in eine Autofirma.

Geld interessiert ihn nicht, es ist nur Mittel zum Zweck. Er will die ganz großen Probleme lösen. Globaler Zahlungsverkehr via Internet? Abgehakt. Die Energiefrage? In Arbeit. Die Besiedelung anderer Planeten? Später. Bei einem Vortrag vor Studenten der Elite-Uni Yale spricht er  über "Multiplanetares Leben". Solches sei "erstmals in der Geschichte denkbar".

Musk würde gerne die Raketen dafür bauen. Er hat ziemlich viele Visionen, mit denen er munter jongliert - und es besteht die Gefahr, dass er dabei die Balance verliert. Bei Tesla etwa wäre die Sache beinahe schiefgegangen. Die Neuerfindung der Mobilität war eigentlich nur ein Nebenprojekt Musks, das Marsding ist ihm wichtiger. Deshalb ließ er andere machen - ein Fehler. Ende 2008 war Tesla fast pleite. Der damalige Vorstandschef verkaufte die Flitzer für 92.000 Dollar - bei Produktionskosten von angeblich über 100.000 Dollar. Außerdem funktionierten die Autos mehr schlecht als recht.

Und verkaufen kann er auch

Was hingegen funktionierte, war die Geschichte, die Tesla verkaufte: "Kalifornisches Start-up zeigt Detroit und Stuttgart, wie es geht". So eine Underdog-Story liest jeder gerne. Musk glaubte, er könne Teslas Image nutzen, um das schlingernde Start-up zu retten. Er übernahm den Chefposten und investierte den Rest seines liquiden Privatvermögens in die Firma. Die "Sunday Times" höhnte, Musk besitze nun nichts mehr, "außer einer funktionsfähigen Rakete".

Seine Ex-Frau Justine meint, in diesem Moment habe sich gezeigt, dass Musk nicht nur ein sehr gutes Gehirn und ein exzellentes Gespür fürs Geschäft besitze, sondern noch etwas anderes. "Elon", schreibt sie in ihrem Blog , "hat riesige Eier aus Stahl."

Trotzdem musste ein weiterer Investor her. Musk hatte sich bereits jemanden ausgeguckt: Die Daimler AG. Dort war man zunächst skeptisch, als der junge Mann aus Kalifornien vorsprach. Daimlers Ökochef Herbert Kohler schaute in Teslas Hauptquartier vorbei. Seiner Ansicht nach musste der Tüftler, der als Erster ein Elektroauto auf die Straße gestellt hatte, ja wohl irgendetwas richtig machen. Er und Musk verstanden sich auf Anhieb. Wenig später erwarben die Stuttgarter zehn Prozent an Tesla und orderten Akkus für ihren Elektro-Smart.

Panasonic

"Sie sind unser großer Bruder." Ohne Daimler hätte Tesla es nicht geschafft, sagt Musk heute. Vergangene Woche hat er weiteres Geld eingesammelt, 50 Millionen Dollar von , dem globalen Marktführer für Akkus. Aber warum wollen eigentlich alle mit ihm kooperieren? Musk ist ja beileibe nicht der einzige Start-up-Chef, der durch die Welt jettet und die ganz große Mobilitätsrevolution verspricht.

Aber es wird immer deutlicher, dass er der Einzige ist, den die Autobosse ernst nehmen.

Wie Toyota dem Tesla-Chef eine ganze Fabrik schenkte

Eigentlich müsste die Branche eher dem charismatischen Shai Agassi zu Füßen liegen, einem ehemaligen SAP-Vorstand. Dessen Firma Better Place baut E-Auto-Ladestationen. Agassi verfügt über ein perfektes Verkäuferlächeln und sagt Sätze wie: "Ich bin das Ende des Öls." Musk hingegen schaut zu Boden, während er spricht. Dabei ringt er mit den Händen. "Die Zukunft ist elektrisch", sagt er mit stockender Stimme. Aber der Weg dorthin "ist sehr hart und sehr schwierig".

Möglicherweise ist es gerade diese introvertierte Art, mit der Musk die Großen der Autoindustrie für sich einnimmt. Die Branche wird von Ingenieuren dominiert, Musk ist Naturwissenschaftler. Er spricht die Sprache der Techniker, kann über Energiekoeffizienten oder Thermodynamik fachsimpeln.

Auch Akio Toyoda erlag Musks sprödem jungenhaften Charme. Die beiden trafen sich erstmals im April, zum Frühstück in Musks Villa in Bel Air. Aus dem einstündigen Meeting, berichtet "Wired", sei ein ganzer Tag geworden. Der Chef des weltgrößten Autoherstellers jagte in Musks Roadster über den Freeway 405, Musk zeigte Toyoda Videoclips seiner Raketenstarts. Man verabredete, in Kontakt zu bleiben.

Kurz darauf hatte Musk wieder ein Problem. Tesla wollte an die Börse, und die US-Regierung hatte einen dicken Kredit für Zukunftstechnologien in Aussicht gestellt. Das Geld wollte er in sein zweites Auto stecken, den Model S. Die Premiumlimousine von der Größe eines BMW 5ers soll ab 2012 vom Band rollen, 20.000-mal im Jahr. Sie war das Versprechen, mit dem Musk Wall Street und US-Regierung ködern wollte. Doch anders als für 500 von Hand gefertigte Sportwagen braucht man für diese Größenordnung eine richtige Fertigungsstraße. Tesla besaß aber nur eine umgebaute Chevy-Werkstatt und hatte keine Mittel, um eine Fabrik zu bauen. Aber ohne die würde Tesla niemand frisches Geld geben.

Glücklicherweise wurde in Kalifornien gerade ein Pkw-Werk frei. Und es gehörte Akio Toyoda.

Eine Mega-Fabrik zum Nulltarif

Die New United Motor Manufacturing, kurz Nummi, ist eine der größten Autofabriken der USA. Sie umfasst 500.000 Quadratmeter, die Fertigungsstraßen sind zweieinhalb Kilometer lang. Auch ein 50-Megawatt-Kraftwerk gehört dazu. Toyota stellte hier den Corolla her, ein halbe Million Fahrzeuge können jährlich vom Band laufen. Doch weil Toyota weniger Autos verkauft als früher, wurde das Werk nicht mehr gebraucht.

Musk fragte Toyoda, ob er die Nummi haben könnte und bot alles, was noch in der Firmenkasse war - 42 Millionen Dollar. Der Buchwert des Areals dürfte freilich bei mehr als einer Milliarde Dollar liegen. Der Toyota-Chef sagte trotzdem ja und bot zudem Entwicklungshilfe an. Es ist der wohl einzige verbriefte Fall der jüngeren Wirtschaftsgeschichte, in dem ein Vorstandschef einem Konkurrenten eine ganze Fabrik de facto schenkt.

Wie er das gemacht hat? Musk wiegelt ab. Es habe keinerlei besonderer Verhandlungskünste bedurft. "Es gibt derzeit einfach keinen sehr großen Markt für Pkw-Werke", sagt er und lacht sein Jungenlachen.

Nun sieht es ganz so aus, als ob Tesla den Model S wirklich bauen kann. Musk spricht von "Phase II". Phase I war der Roadster, der die Marke cool machte. Phase II ist die Premiumlimousine Model S, die genug Cash generiert, um Phase III zu ermöglichen: Den Bau eines billigen E-Autos in hunderttausendfacher Stückzahl. "In fünf Jahren sollte es damit hoffentlich losgehen."

Vorbild für einen Marvel-Superhelden

Viele fragen sich, ob Musk vorher verkauft. Er hat das bei seinen Internetfirmen Zip2 und Paypal getan, jeweils auf dem Höhepunkt des Hypes, mit dem größtmöglichen Gewinn. "Ich habe Daimler versprochen, die Produktion des Model S zu begleiten, bis 2013. Danach kommt es drauf an, wie es läuft."

Musk muss jetzt ein Gähnen unterdrücken. Er sieht aus, als ob er seit Wochen nicht richtig geschlafen hätte. Der Kalifornier hofft dass es demnächst ruhiger wird. Tesla besitzt nach erfolgreichem Börsengang und genehmigtem Regierungsdarlehen 800 Millionen Dollar, Space X hat im Juni die erste Falcon-9-Rakete in den Orbit geschossen. Daran, erklärte Musk unlängst mit sichtbarer Genugtuung, seien zuvor Südkorea und Brasilien gescheitert.

Er nicht. Die "Zeit" hat ihn einmal als "Musk, das Genie" bezeichnet. Es war spöttisch gemeint. Aber möglicherweise ist er tatsächlich eins.

Iron Man

Es gibt einen Marvel-Superhelden namens " ". Dessen unmaskiertes Alter Ego Tony Stark ist ein brillanter Milliardär, der andauernd weltbewegende Sachen erfindet, einen Mega-Konzern leitet und zum internationalen Jetset gehört. Als Hollywood-Regisseur Jon Favreau diesen Stoff verfilmte, hatte er für die Figur des Tony Stark ein reales Vorbild: Musk. "Elon", sagte Favreau dem "Time Magazine", "ist ein Renaissance-Mann. In einer Ära, die ihn braucht."