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Ausland Verfolgung weltweit

Wo der Hass auf Christen besonders groß ist

Politikredakteur
Quelle: Infografik Die Welt
Weltweit werden Christen wegen ihrer Religion verfolgt, besonders schlimm in Nordkorea. Zwar stellt islamischer Extremismus die größte Gefahr da – doch ist er keineswegs die einzige.

In Nordkorea ist es nach wie vor am schlimmsten. In der kommunistischen Diktatur, deren Führer Kim Jong-un im Westen allmählich zur Witzfigur verniedlicht wird, sind insbesondere Christen grausamer Unterdrückung ausgeliefert. Rund 70.000 von ihnen waren laut dem neuen Weltverfolgungsindex des Hilfswerks Open Doors im Jahr 2014 als „Feinde des Regimes“ in Arbeitslager eingesperrt und dort Folter sowie schwerster Zwangsarbeit ausgesetzt.

Allein im Zusammenhang mit der Verhaftung des aus Südkorea stammenden Baptistenmissionars Kim Jung-wook sollen im Frühjahr 2014 Dutzende von Christen wegen angeblicher Kontakte zu ihm misshandelt und ermordet worden sein. Wie schon in den Jahren zuvor steht Nordkorea deshalb auf dem traurigen ersten Platz jener Rangliste, in der das evangelikale Hilfswerk alljährlich das jeweilige Ausmaß der Christenunterdrückung in der Welt veranschaulicht.

An Nordkorea wird dabei deutlich, dass keineswegs nur islamische Regime oder Banden dafür verantwortlich sind, dass das Christentum laut dieser und weiterer Untersuchungen von anderen Organisationen die weltweit am stärksten bedrängte Religion ist. Vielmehr registriert Open Doors, dass auch der Hindu-Nationalismus in Indien (Rang 21 im Index) oder ein aggressiver Buddhismus wie in Laos (Platz 28) zu schweren Bedrohungen für Christen werden können.

In nicht weniger als 18 der 20 am höchsten eingestuften Länder gilt ‚Islamischer Extremismus‘ als Haupttriebkraft der Verfolgung
Open Doors-Bericht zur Christenverfolgung

Gleichwohl gehen Gefahren für Christen am häufigsten von jenen Machthabern, Milizen oder Mobs aus, die sich dem Islam verschrieben haben. „In nicht weniger als 18 der 20 am höchsten eingestuften Länder gilt ‚Islamischer Extremismus‘ als Haupttriebkraft der Verfolgung“, schreiben die Autoren der Studie. Die Liste reicht von Somalia, Irak und Syrien über den Iran und das vermeintliche Urlaubsparadies Malediven bis hin zum Fußball-WM-Austragungsland Katar. In den meisten dieser Staaten aus der Spitzengruppe habe das Ausmaß der Verfolgung 2014 zugenommen.

Deutlich stärker geworden sei sie zum einen im Nahen Osten, zumal in Syrien, wo der Bürgerkrieg und der IS-Terror mittlerweile rund 700.000 der insgesamt 1,8 Millionen Christen zur Flucht gezwungen habe. Zum andern aber habe sich die Lage in Afrika südlich der Sahara 2014 verschlechtert. Dies betreffe auch Länder, bei denen bislang wohl nur wenige an Christenverfolgung gedacht haben, nämlich die ostafrikanischen Staaten Kenia (19) und Tansania (33).

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Quelle: Die Welt

In Teilen dieser mehrheitlich christlichen Länder greife bei muslimischen Bevölkerungsgruppen ein aus Nachbarstaaten einsickernder Islamismus um sich. So sei der Nordosten Kenias mittlerweile stark von diesem Extremismus geprägt: „Bestärkt durch radikal-islamische Einflüsse, die aus Somalia überschwappen, streben muslimische Politiker an, alle christlichen Kirchen aus ihrem Wahlkreis zu drängen. Darüber hinaus werden Regierungsbeamte mit einem christlichen Hintergrund gezielt aus diesen Gebieten gedrängt.“ Immer wieder drängten militante Islamisten aus Somalia über die Grenze und verübten Anschläge auf Christen. In Tansania sei zwar bislang die Gefährdung für Christen noch geringer, aber in den Küstengebieten sowie auf der Insel Sansibar ständen sie unter wachsendem Druck muslimischer Extremisten, die in Ostafrika die Scharia einführen wollten.

Vielfältige Unterdrückung

Solche Beispiele zeigen, dass es Open Doors nicht dabei belässt, Christenverfolgung durch staatliche Unterdrückungsapparate oder terroristische Angriffe zu erfassen. Vielmehr soll das ganze Spektrum der Einschränkung von Religionsfreiheit abgebildet werden. Zu diesem Zweck lässt das Hilfswerk detaillierte Fragebögen von eigenen Gewährsleuten und unabhängigen Experten in allen Ländern ausfüllen, um zu klären, ob etwa Kinder und Jugendliche in der Schule wegen des christlichen Glaubens ihrer Eltern drangsaliert werden oder sich Kirchengemeinden offiziell registrieren lassen können, ob christlichen Paaren die Adoption eines Kindes verwehrt wird oder Christen in ländlichen Regionen den Dorfbrunnen benutzen dürfen.

Auf diese Weise soll die ganze Bandbreite des Lebens erfasst werden, in der individuellen Privatsphäre und der Familie, im Sozialraum etwa der Stadt sowie im Staat und in der kirchlichen Gemeinde. Was Christen dort an Diskriminierung oder an Drohungen erleben, erfasst der Index als „konstanten Druck“, der in einem Punktesystem bewertet wird. Davon unabhängig erfasst die Studie die „gewaltsamen Übergriffe“, denen Christen ebenfalls in allen genannten Lebensbereichen zum Opfer fallen können. Als „Betreiber“ der Verfolgung sieht Open Doors dabei nicht nur Regierungen oder paramilitärische Gruppen, sondern auch die möglicherweise aufwiegelnden Anführer fanatischer Bewegungen und Parteien, weiterhin Familienangehörige, organisierte Verbrecherbanden oder auch „gewöhnliche Bürger“, die sich zu einem antichristlichen Mob zusammenrotten.

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Quelle: Reuters

Diese Weite der Betrachtungsweise hat den Vorteil, dass sie die ganze Bandbreite möglicher Verfolgung abbildet und somit auch eine Benachteiligung erfasst, die zwar mancher als nicht so schlimm einstufen dürfte, die aber das Menschenrecht der Religionsfreiheit beschneidet und in der Europäischen Union oder Nordamerika als verbotene Diskriminierung eingestuft würde.

Unscharfe Datenerfassung

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Der Nachteil des Verfahrens von Open Doors aber besteht darin, dass die breite Ansicht zu Unschärfen der Betrachtung führt. So ist die auch im diesjährigen Bericht genannte Zahl von „rund 100 Millionen Christen“, die „um ihres Glaubens willen verfolgt“ würden, nicht überprüfbar und nur nachvollziehbar, wenn man bereit ist, unter „Verfolgung“ auch Diskriminierung zu fassen. Dass dies zu Pauschalisierungen führen kann, bewog vor eineinhalb Jahren die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), in einer eigenen Studie zu dem auch dort konstatierten großen Umfang der weltweiten Christenunterdrückung keine Zahlenangaben zu machen.

Zudem ist dem Open-Doors-Bericht nicht zu entnehmen, wie viele Fragebögen zur jeweiligen Lage in den einzelnen Ländern ausgefüllt wurden und um welche Gewährsleute es sich dabei konkret handelte. Das macht es so gut wie unmöglich, die in den Verfolgungsindex eingespeisten Befunde nachzuvollziehen. Weiterhin gibt es nur wenige Angaben zur Lage anderer Religionen in den jeweiligen Staaten, sodass sich der Studie nicht eindeutig entnehmen lässt, ob von der Religionsunterdrückung nur Christen betroffen sind. Andere Studien jedenfalls sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Muslime – oder zumindest bestimmte Gruppen von ihnen – weltweit am zweitstärksten der Drangsalierung und auch der gewalttätigen Verfolgung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Nicht nur in Nigeria sind daran auch Christen beteiligt.

Syrien-Rückkehrer besondere Gefahr

Außerdem ist nicht hinreichend klar, ob es sich wirklich in allen Fällen um Verfolgung wegen des Glaubens handelt. So wird das katholische Mexiko von Open Doors auf Rang 38 des Verfolgungsindexes gesetzt, weil dort Kirchengemeinden von Drogenbanden angegriffen werden, wenn sie sich der Herrschaft der Killerkommandos widersetzen. Zwar lässt sich da sagen, dass dies eine Verfolgung um des Glaubens willen sei, weil der Widerstand der Gemeinden religiös motiviert ist. Als explizite Christenverfolgung aber dürfte man dies erst dann ansehen, wenn andere, etwa laizistische Gegner der Drogenkartelle, ungeschoren blieben. Danach jedoch sieht es in Mexiko nicht aus, sodass man dort wohl eher davon sprechen muss, dass all diejenigen in Gefahr sind, die, aus welchen Gründen auch immer, es wagen, sich gegen die Mafia zu stellen.

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Quelle: Reuters

Doch dies schmälert nur unwesentlich den Wert dieser Erhebung, die einmal mehr zeigt, wie sehr das Grundrecht auf Religionsfreiheit besonders bei Christen bedroht ist. Für die Zukunft sieht es kaum besser aus. So befürchten die Studien-Autoren, dass ein mögliches Ende des IS-Terrors in Syrien und dem Irak recht bald schon zu erheblichen Bedrohungen an anderen Orten führen könne: „Asiatische und nahöstliche Länder wie Jordanien“ so heißt es in der Studie, „wappnen sich für eine Rückkehr der Dschihadisten, die ausgezogen sind, um für den IS zu kämpfen. Viele von ihnen sind kampferprobt und geschickt im Organisieren. Sie könnten einen neuen Hass auf Christen in eine Region bringen, die bislang relativ offen gewesen ist.“

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