Zündfunk-Kongress: Daten sind Gold – auch bei Deutschlands liebstem Sport

Neongrüne Fußballschuhe lieben die Coder von Deltatre, ausgefallene Frisuren oder lange Ärmel im Stadion – einfach alles, was die Live-Erfassung der Daten während des Spiels erleichtert. Denn zumindest vorläufig wird da noch händisch erfasst.

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Fußball

(Bild: Pixabay)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Wer schon einmal überlegt hat, woher Moderatoren gleich wissen, dass der Fünferpack von Robert Lewandowski der schnellste in 52 Jahren Bundesliga war, wurde am Samstag im Sitzungssaal des Bayerischen Fußballverbands aufgeklärt. Auf Einladung des Zündfunk Netzkongress des Bayrischen Rundfunks berichtete dort Fabian Winckler von der Firma Deltatre, wie das digitale Datengold der Fußballbundesliga und anderer Ligen und Turniere gehoben wird. Noch wird dabei aus Kostengründen erstaunlich viel händisch in die weltweit vertriebenen Mega-Datenbanken und darauf aufsetzenden Mehrwertprodukte für Redaktionen, Verbände und Fans eingepflegt.

Drei Fußballexperten übernehmen das in der Regel remote erfolgende "Scouting" eines Spiels. Der erste kommentiert jeden einzelnen Spielzug. Der zweite trägt alles ins System ein. Nummer drei schließlich übernimmt anschließend die Qualitätskontrolle und geht möglicherweise in das parallel erfasste Video zurück, um zu überprüfen, ob alles stimmt.

Das Coden erfolgt in einer streng formalisierten Sprache und die Coder werden lange auf den dicken Definitionskatalog trainiert: Wann wird aus dem Pass eine Flanke aus dem Halbfeld, wann wird aus dem abgefälschten Ball ein Eigentor? So kompliziert ist das Regelwerk, versichert Winckler, dass diese Art der Spieldatenerfassung noch nicht maschinell gemacht wird – auch aus Kostengründen. Die für das Tracking der Laufleistungen mittlerweile eingesetzten Kamerasysteme, mindestens zwei im Stadion, sind noch viel teurer als die menschlichen Coder.

Die Scouts bereiten sich übrigens meist intensiv auf Partien weniger bekannter Mannschaften vor, um dann live schnell genug die Spieler – oder Spielerinnen – auf dem Platz zu erkennen. "In der Bundesliga ist das kein großes Thema. Aber wenn dann die nordkoreanische Frauen-Nationalmannschaft aufläuft ..." Rückennummern können zwar verwendet werden, aber eben nicht für beide Mannschaften. Die Coder sind daher ziemlich dankbar für alle Besonderheiten der weniger bekannten Feldspieler, berichtet Winckler: Schrille Schuhfarben, schräge Frisuren – und hoffentlich hat sich dann nicht gerade wieder eine Elf aus Freude übers Weiterkommen die Haare einheitlich blond gefärbt!

Deltatre, italienischer Marktführer im Bereich der Content-Produktion für Sport-Events, der 2014 seinen deutschen Mitbewerber Impire AG geschluckt hat, setzt die vielen Zusatzdaten mit den Videoaufzeichnungen, schicken Grafiken und Statistiken zusammen. Daraus entstehen je nach Bedarf Analysetools für Vereine wie Borussia Dortmund oder Live-Informationen für Sportwettenanbieter. Die größten Kunden seien vorerst Medienunternehmen im Print- oder Broadcast-Bereich. Zum Angebot, das übrigens alle Arten von Live-Sport-Events umfasst, gehören auch Live-Ticker, Social-Media-Nachrichtenstreams oder Apps für die Nutzer.

Die Frage nach Open-Data-Konzepten quittiert Winckler beim Zündfunkkongress ungerührt: Die Auftraggeber legen fest, welche Daten sie freigeben. Die Frage nach einer stärkeren Automatisierung der Spielerfassung in der Zukunft – analog zum Tracking der Laufleistungen – beantwortet er mit einem zögerlichen Ja. In der Bundesliga fallen zwar Sensoren noch unter "unerlaubte Technik". Langfristig würden sich aber wohl mehr und mehr Sportarten neuen Tracking-Technologien öffnen. (hos)