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Samsung Gear VR im Test Virtuelle Welt vorm Kopf

Andere Firmen forschen noch daran, Samsung hat sie bereits: Die Gear VR ist eine Datenbrille, mit der man in virtuelle Welten eintauchen kann. Ein Handy dient als Computer und Bildschirm. Wir haben die faszinierende Technik ausprobiert.

Selten hat ein Testgerät in der Redaktion so viele begehrliche Blick auf sich gezogen wie Samsungs Virtual-Reality-Brille Gear VR. Es reicht vollkommen aus, die recht groß geratene Konstruktion auf dem Schreibtisch liegen zu lassen, um neugierige Blicke und Fragen zu provozieren. Eine verständliche Reaktion, denn die Samsung-Brille sieht mit ihrem weißen Kunststoff-Korpus und den gepolsterten Kopfbändern schon ungewöhnlich aus.

Vor allem aber sieht man selbst ungewöhnlich aus, wenn man sich das Gestellt auf den Kopf setzt. Nicht so sehr, weil sich andere über die klobige Brille wundern, sondern, weil man sich in einer für Beobachter sehr irritierenden Weise bewegt, wenn man die Gear VR trägt.

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Samsung Gear VR im Test: Per Brille und Smartphone in virtuelle Welten

Foto: Matthias Kremp

Denn sobald man die neue Samsung-Brille aufsetzt, taucht man in eine andere Welt ein. Schließlich ist das Sinn und Zweck einer VR-Brille. Sie soll den Eindruck erzeugen, man wäre in einer anderen Welt, eben in einer Virtual Reality (VR).

Das gelingt der Gear VR ausgesprochen gut. Sobald ich die Brille aufhabe, beginne ich mit dieser Welt zu interagieren. Ich drehe mich herum, schaue in alle Richtungen und versuche Gegenstände zu greifen, die vor meinen Augen erscheinen. Für mich scheint das ganz natürlich, von außen sieht es aus, als würde ich durchdrehen.

Kein Gadget für die Masse

An einer solchen Technik forschen viele Firmen, allen voran das US-Unternehmen Oculus, dessen VR-Brille wir schon mehrmals ausprobiert haben. Allerdings braucht die Oculus einen PC als Steuerungsrechner, mit dem sie per Kabel verbunden ist. Zudem ist sie noch kein fertiges Produkt, das man einfach kaufen könnte.

Ein so richtig fertiges Produkt ist auch die Gear VR nicht, weshalb sie von Samsung als Innovators Edition bezeichnet wird. Ausdrücklich weist der Konzern darauf hin, dass die Gear VR für Software-Entwickler gedacht ist. Und für Early Adopters, also Anwender, die immer die neueste Technik haben wollen und auch vor kleinen Macken nicht zurückschrecken.

Highend muss es schon sein

Eine der wenigen Macken ist zugleich ein großer Vorteil gegenüber der Technik von Oculus: Die Gear VR braucht keinen PC. Stattdessen legt man ein Smartphone in die Brille, das als Steuerungsrechner und Bildschirm zugleich dient. Das ist gut, weil die Brille dadurch kabellos arbeiten kann. Zugleich ist es aber auch eine Einschränkung, denn in der aktuellen Version funktioniert die Gear VR nur mit Samsungs Galaxy Note 4, das seinerseits mit 769 Euro in Samsungs Preisliste steht.

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Samsung Galaxy Note 4 im Test: Mit Stift und Schnelllade-Akku

Foto: Matthias Kremp

Das Note 4 ist aber auch ein extrem wichtiger Baustein des Gesamtkonzepts. Als Highend-Smartphone ist es mit einem sehr schnellen Prozessor, viel Speicher und etlichen Sensoren ausgestattet, die für ein realistisches Virtual-Reality-Erlebnis nötig sind. Vor allem hat es einen extrem hochauflösenden Bildschirm mit 2560 x 1440 Pixeln.

Die Auflösung ist nötig, weil der Bildschirm für die 3D-Darstellung der virtuellen Realität in der Mitte geteilt wird, jede Bildschirmhälfte ein Auge bedient. Tatsächlich wirkt das so erzeugte Bild nicht besonders hochauflösend und wird oft von einem feinen Gitterraster überlagert.

Samsung Gear VR: Virtual Reality per Smartphone

Samsung Gear VR: Virtual Reality per Smartphone

Foto: Matthias Kremp

Aber diese technischen Feinheiten vergesse ich schnell, wenn ich die Gear VR auf der Nase trage. Auch wenn das Bilderlebnis nicht gerade fotorealistisch ist, sind die virtuellen Welten doch so überzeugend, dass man bald die reale Welt um sich vergisst. Schon beim ersten Selbstversuch - eigentlich wollte ich nur kurz reinschauen - versank ich für zwei Stunden in einem VR-Spiel.

Hier kommt man zum zweiten Manko: Groß ist die Auswahl an passender Software noch nicht. Samsung arbeitet mit Oculus zusammen, um möglichst viel Oculus-Software auf der Gear VR nutzen zu können. Einige Spiele gibt es: virtuelle Tauchgänge, einen 360-Grad-Fotobetrachter, ein virtuelles Kino und noch einiges mehr. So kann man mit der Brille zum Beispiel auch wunderbar Filme anschauen, als wäre man in einem richtigen Kino mit Leinwand, Projektor und Sesselreihen. Nur für Popcorn muss man selbst sorgen.

Fazit

Samsung wird oft vorgeworfen, die Ideen anderer zu kopieren. Bei der Gear VR war das allerdings gewollt. Das Konzept basiert auf einer Idee von Google-Ingenieuren, die im Sommer 2014 ihr Project Cardboard vorstellten, eine extrem günstige VR-Brille aus Pappe, der ein Smartphone als Rechner und Bildschirm dient. Nachahmer waren erwünscht.

Samsungs Variante des Project Cardboard ist ausgesprochen gelungen. Die virtuellen Realitäten darin sind nicht superrealistisch, aber doch so überzeugend, dass es einfach Spaß macht, damit herumzuspielen. Der Preis ist auch vollkommen in Ordnung. Trotzdem sollte man sich die Anschaffung genau überlegen. Massentauglich wird das System erst, wenn es mit mehr unterschiedlichen Smartphones funktioniert und wenn die Software-Auswahl größer wird. Bis dahin bleibt es ein Nerd-Spielzeug. Allerdings ein sehr schönes.

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Cardboard: So bastelt man die Pappbrille

Foto: SPIEGEL ONLINE