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Brandbrief an Führungsquartett Basis-Grüne fordern Rückkehr nach links

Bei den Grünen rumort es: In einem Brandbrief an die Partei- und Fraktionsführung mahnen Basisvertreter einen linkeren Kurs an. Sie verlangen mehr sozialpolitische Akzente, eine Absage an Ukraine-Waffenlieferungen - und ätzen gegen Schwarz-Grün.
Grünen-Führungsquartett Hofreiter, Göring-Eckardt, Peter, Özdemir: Warnschuss von der Basis

Grünen-Führungsquartett Hofreiter, Göring-Eckardt, Peter, Özdemir: Warnschuss von der Basis

Foto: Michael Kappeler/ picture alliance / dpa

Berlin - Der Brief beginnt mit einer freundlichen Anrede im klassischen Grünen-Du, aber dann ist es auch schon vorbei mit Nettigkeiten: "Liebe Simone, lieber Cem, liebe Katrin, lieber Toni" - gemeint sind die Parteichefs Peter und Özdemir sowie die Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt und Hofreiter. Sie müssen sich auf den folgenden drei Seiten vorhalten lassen, was sie aus Sicht der Brandbriefverfasser alles falsch machen.

Das Schreiben von linken Basis-Grünen, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, und den Adressaten am Sonntagabend zugehen soll, mahnt die Partei- und Fraktionsführung zu einer deutlichen Kurskorrektur.

Inzwischen unterzeichneten das als "Offener Brief" deklarierte Papier mehr als 200 Mitglieder, darunter auch Mandatsträger wie Silke Gajek, Schweriner Landtagsabgeordnete und ehemalige Spitzenkandidatin in Mecklenburg-Vorpommern. Der Brief zirkuliert in den Kreis- und Ortsverbänden noch bis Freitagabend. Ehemalige Angehörige der Parteiführung gehören genauso zu den Unterzeichnern wie der Partei-Vordenker Robert Zion.

Sorge um das Parteiprofil

Die Verfasser eint die Sorge, dass sich die Partei zu weit in die politische Mitte bewegt und sich damit von grünen Positionen verabschiedet. "Wir wenden uns an Euch, da wir mit sehr großer Sorge die Entwicklung unserer Partei betrachten und meinen, dass es dringend geboten ist, wieder mehr Visionen zu entwickeln", heißt es zu Beginn des Briefs. "Das Profil unserer Partei wird von einigen immer konservativer definiert und bewegt sich in der öffentlichen Wahrnehmung daher im Parteienspektrum immer weiter nach rechts."

Gleichzeitig enthält der Brief eine klare Absage an Schwarz-Grün-Pläne im Bund. Man werde inzwischen, schreiben die Verfasser, "übrigens auch nicht als Opposition wahrgenommen, sondern - und das ist erschreckend - als 'künftige Koalitionäre der CDU im Wartestand'. Aber, so heißt es weiter: "Schwarz-Grün im Bund überlebt diese Partei nicht." Das dürften insbesondere viele Parteifreunde in Hessen nicht gerne lesen, wo die Grünen seit einem Jahr gemeinsam mit der CDU koalieren. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 gilt Schwarz-Grün im Moment als wahrscheinlichste Bündnisoption. Eine Rot-Rot-Grün-Koalition wird mit Blick auf die außen- und steuerpolitischen Positionen der Linkspartei als wenig realistisch angesehen.

"Werden nicht als soziale Partei wahrgenommen"

Fest gemacht wird die Befürchtung eines Rechtsrucks vor allem daran, dass die Grünen aus Sicht der Verfasser die Sozialpolitik vernachlässigten. Man werde inzwischen "nicht als soziale Partei wahrgenommen, und das ist ein sehr großes Problem", heißt es. "Es ist sehr wichtig, über Tierschutz oder gutes Essen zu sprechen, nur, arme Menschen haben ganz andere Probleme, auch diese müssen wir aufgreifen." Zuletzt hatte die Grünen-Führung einen großen Schwerpunkt auf das Thema "Gute Ernährung" gelegt.

Auch in der Friedenspolitik sehen die Verfasser Korrekturbedarf, was sie am Beispiel des Ukraine-Konflikts erläutern. Auf dem Bundesparteitag vergangenen November habe man "klar beschlossen, dass es eine Lösung ohne Waffen geben muss, und wir fragen uns, wozu sind Beschlüsse gut, wenn sie scheinbar niemanden interessieren." In der Ukraine-Debatte haben in den vergangenen Wochen auch Grünen-Politiker Sympathien für Waffenlieferungen erkennen lassen.

Selbst die Möglichkeit einer Partei-Spaltung wird am Ende des Briefs angedeutet. So heißt es: "Es liegt nicht in unserem Interesse, die Partei spalten zu wollen, sondern wir wollen, dass grüne, linke alternative und progressive Politik wieder mehr Gewicht erhält."

Zuletzt hatte es zur Fraktionsklausur Ende Januar ein Papier linker Grünen-Politiker gegeben, in dem die inhaltliche Verflachung grüner Positionen beklagt wurde.