Kalte Progression :
Eine gute Gelegenheit zur Steuersenkung

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Kalte Progression: Eine geringe Lohnerhöhung kann zu überproportionaler Besteuerung führen
Die niedrige Inflation und die hohen Steuereinnahmen böten eine Gelegenheit, das Problem der kalten Progression zu lösen. Ökonomen raten der Bundesregierung, auf Inflationsgewinne zu verzichten.

Wirtschaftsforscher raten der großen Koalition zum Verzicht auf heimliche Steuererhöhungen durch die Inflation. „Die Gelegenheit zum Abbau der kalten Progression ist günstig“, schreiben die Ökonomen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Die anhaltend niedrige Inflation und die hohen Steuereinnahmen schafften beste Voraussetzungen, um das Problem dauerhaft zu lösen.

Nach ihren Berechnungen würden die Steuereinnahmen in den nächsten beiden Jahren jeweils nur um knapp 3,8 Milliarden Euro sinken, wenn der Einkommensteuertarif um die Inflationsgewinne bereinigt werde. Berücksichtige man, dass der steuerliche Grundfreibetrag ohnehin an das Existenzminimum angepasst werden müsse, schrumpfe der Fehlbetrag auf je 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 und 2016. Diese Summen wären auch ohne umfangreiche Gegenfinanzierung im Haushalt zu verkraften, meinen die Ökonomen.

Die Entlastung stärke das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dieses Prinzip wird regelmäßig verletzt, weil der Staat steuerlich auch an jenen Lohnerhöhungen teilhat, die lediglich dem Ausgleich der Preissteigerungsrate dienen, also die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers nicht steigern.

Deshalb spricht man von kalter Progression. Für sie sorgt der progressive Einkommensteuertarif, der höhere Einkommen mit höheren Steuersätzen belastet. Die Forscher rechtfertigen den Verzicht auf die Inflationsgewinne auch mit Blick auf die Verteilungswirkungen: In absoluten Beträgen sei die Entlastung der höheren Einkommen natürlich größer (bis zu 409 Euro im Jahr bei einem Bruttoeinkommen von mehr als 120.000 Euro). Relativ betrachtet hätten jedoch Steuerpflichtige mit einem Jahreseinkommen zwischen 10.000 Euro und 30.000 Euro am meisten von der Steuersenkung.

Ihre Steuerlast sinke um bis zu 14 Prozent. In diese Gruppe fielen auch die meisten Steuerpflichtigen. Ob diese Argumente die Regierung zum Umdenken bringen? Die Bundeskanzlerin hatte erst kürzlich gesagt, sie sehe für eine Entlastung keine Spielräume. Der Bundesfinanzminister schiebt die Schuld auf die Länder, die einer Steuersenkung im Bundesrat weiterhin nicht zustimmen würden.