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Interview Russischer Wirtschaftsminister gibt Russland die Schuld an der Krise

Ausländische Spekulanten seien für den Rubel-Crash verantwortlich: Das sagt Wladimir Putin. Sein Wirtschaftsminister widerspricht - und erklärt öffentlich seine Sicht der Dinge.
Minister Uljukajew: "Sturm selbst verursacht"

Minister Uljukajew: "Sturm selbst verursacht"

Foto: Daniel Naupold/ dpa

Moskau - Russlands Wirtschaftsminister hat den Kurs der eigenen Regierung scharf angegriffen. Mit Blick auf die Turbulenzen in der russischen Wirtschaft sagte Alexej Uljukajew: "Wir haben diesen Sturm selbst verursacht." In einem Interview mit Tageszeitung "Wedomosti", einem Schwesterblatt der britischen "Financial Times", machte Uljukajew verschleppte Reformen für die Wirtschaftskrise verantwortlich - und "alles, was wir nicht getan haben".

Uljukajews Interpretation unterscheidet sich deutlich von der Art und Weise, wie die russische Führung bislang die wirtschaftliche Lage kommentiert hatte: Ausländische Spekulanten seien für den Rubel-Absturz verantwortlich, hatte Präsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation Anfang Dezember behauptet - und wiederholte diese Argumentation am Donnerstag vor rund 1200 Journalisten.

Auch ohne die Krim-Krise hätte der Westen früher oder später einen Vorwand gefunden, um "Russlands wachsende Möglichkeiten" zu beschränken, so Putin weiter. Hinter dem Verfall des Ölpreises, von dem die russische Wirtschaft stark abhängt, wittern viele Hardliner eine "Spezialoperation westlicher Geheimdienste", wie die Tageszeitung "Iswestija" schreibt.

Vertreter des wirtschaftsliberalen Lagers innerhalb der russischen Führung sehen das ganz anders. So scharf wie Uljukajew hat das bislang allerdings kein Regierungsmitglied zu formulieren gewagt. Selbst ohne Sanktionen und bei hohem Ölpreis könne Russland auf Jahre nicht mehr als drei Prozent Wachstum erreichen, so der Minister. Für ein Schwellenland wie Russland, das zu den großen Industrienationen aufschließen will, ist das wenig.

Laut Uljukajew verschmelzen gerade drei Krisenherde zu einem "perfekten Sturm":

  • die ungelöste Strukturkrise des stark staatskapitalistisch geprägten Wirtschaftssystems, dessen "Kosten dauernd wachsen",
  • das Abflauen der Weltkonjunktur und
  • der Sanktionskrieg mit dem Westen im Zuge einer "geopolitischen Krise".

Uljukajew warnt vor Hoffnungen, die westlichen Sanktionen könnten schnell aufgehoben werden und die Wirtschaft entlasten. Es sehe so aus, als würden sie noch lange in Kraft bleiben.

Mit einer Protestwelle der Bevölkerung rechnet Uljukajew nach eigenen Worten nicht. Seine Einschätzung deckt sich mit dem Ergebnis einer Umfrage der Associated Press und des NORC Center for Public Affairs Research. Laut dieser stützen 80 Prozent der Befragten weiter Putins Kurs - trotz des Rubel-Verfalls.

Finanzministerium und Zentralbank haben ihre Bemühungen um eine Stabilisierung des Rubels verstärkt. Sie verkauften Dollar- und Euroreserven in Höhe von mehr als zehn Milliarden Dollar. Der Kurs der russischen Währung fiel daraufhin auf 72 Rubel pro Euro. Am Dienstag hatte der Rubel kurzzeitig bei mehr als 100 Rubel notiert.

beb/ssu